Leitsatz (amtlich)

Eine "Anteilsrotation" begründet in der Person der Erwerberin der veräußerten Geschäftsanteile nicht schon deshalb einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, weil die Erwerberin die Gesellschaft anschließend liquidiert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Veräußerer der Gesellschaftsanteile auf die Erwerberin keinen beherrschenden Einfluss ausüben können.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, die Unternehmensberatung betreibt. Am 18.12. 1990 erwarb sie alle Gesellschaftsanteile an der A-GmbH von den sieben, jeweils nicht wesentlich beteiligten Gesellschaftern für insgesamt 2 868000 DM. Das Vermögen der A-GmbH bestand zu diesem Zeitpunkt weitgehend aus flüssigen Mitteln. Mit Beschluss vom 21.12.1990 löste die Klägerin die A zum 31.12.1990 auf. Durch Gewinnverteilungsbeschluss vom 30.12.1990 schüttete die A-GmbH ihren Gewinn einschließlich der Rücklagen von 2142517 DM aus. Diese Ausschüttung zuzüglich anrechenbarer KSt in Höhe von 1 205 165 DM erfasste die Klägerin buchmäßig als Ertrag, andererseits schrieb sie die Beteiligung an der A-GmbH auf 0 DM ab. Das Finanzamt erkannte die Gewinnausschüttung und die Teilwertabschreibung nicht an, da ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO vorliege. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab[1]. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klägerin selbst wählte keine rechtliche Gestaltung, die i.S. des § 42 Satz 1 AO zur Erreichung eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels unangemessen war. Sie erwarb von fremden Dritten Anteile an einer GmbH, um deren liquides Vermögen mittels einer Ausschüttung zu vereinnahmen. Zur Abwicklung dieses Geschäfts wandte die Klägerin Anschaffungskosten von 2 868 000 DM auf. Demgegenüber erzielte sie Beteiligungserträge einschließlich des damit verbundenen KSt-Guthabens in Höhe von 3 347 682 DM, somit einen buchmäßigen Gewinn von 479 682 DM. Für diesen Geschäftsvorfall stand der Klägerin eine andere Gestaltungsform als die gewählte nicht zur Verfügung. Es kann dahinstehen, ob diese Aktivitäten dem eigentlichen Unternehmensgegenstand der Klägerin zuzurechnen sind. Jedenfalls dienten sie als solche einem bestimmten wirtschaftlichen Zweck. Daran ändert nichts, wenn die Klägerin von vornherein die Absicht gehabt haben sollte, die A-GmbH nach der Ausschüttung zu liquidieren. Die Liquidation war lediglich wirtschaftliche und rechtliche Konsequenz der Vollausschüttung. Die Klägerin erwarb die Anteile an der A-GmbH auch nicht, um ihre steuerlichen Verhältnisse, d.h. die Höhe der sie betreffenden Steuerfestsetzung günstig zu gestalten. Sie erklärte die Differenz zwischen der Gewinnausschüttung und dem gezahlten Kaufpreis als Gewinn und damit - unabhängig von bestehenden Anrechnungsguthaben - ein höheres zu versteuerndes Einkommen mit der Folge höherer KSt, als vom Finanzamt im angegriffenen Bescheid festgesetzt worden ist. Die Klägerin schrieb in ihrer Bilanz zum 31.12.1990 auch die Beteiligung an der A-GmbH zu Recht ab. Denn diese war nach der Ausschüttung nicht mehr werthaltig. Da die Teilwertabschreibung rechtliche Folge der vorangegangenen Ausschüttung ist, kann sie keine (unangemessene) Gestaltung i.S. des § 42 Satz 1 AO sein. Der Gesetzgeber hat eine Teilwertabschreibung auf erworbene Beteiligungen nur unter den Voraussetzungen des § 50c EStG 1990 als nicht berücksichtigungsfähig angesehen, die im Streitfall nicht vorliegen. § 50c Abs. 11 EStG, der die Anwendbarkeit der Regelungen des § 50c Abs. 1 bis 8 EStG auch auf den Erwerb von Beteiligungen von anrechnungsberechtigten Anteilseignern erstreckt, ist erst ab VZ 1997 anzuwenden[2]. Auch die Inanspruchnahme der sich aus § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG 1990 ergebenden Anrechnung der KSt der A kann nicht als Teil einer unangemessenen Gestaltung durch die Klägerin gewertet werden. Die Anrechnungsberechtigung folgt der Ausschüttung zwangsläufig.

2. Ein Gestaltungsmissbrauch der Klägerin lässt sich auch nicht darauf stützen, dass ihr eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung durch die ehemaligen Gesellschafter der A-GmbH zuzurechnen wäre. Zwar kann ein Missbrauch i.S. des § 42 AO auch darin bestehen, dass ein Steuerpflichtiger einen anderen zu einer unangemessenen Gestaltung veranlasst und hieraus einen ungerechtfertigten Steuervorteil zieht[3]. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist allerdings im Streitfall bereits deshalb zweifelhaft, weil die Gesellschafter der A-GmbH an der Klägerin nicht beteiligt waren. Sie vermochten daher ihren Willen bei der Klägerin nicht durchzusetzen. Mit dem Erwerb der Anteile der A verfolgte die Klägerin ein wirtschaftliches Eigeninteresse. Auch wenn von einem einvernehmlichen Handeln mit den veräußernden Gesellschaftern der A-GmbH auszugehen ist, begründet dies - unter fremden Dritten - ohne Hinzutreten besonderer Umstände kein missbräuchliches Verhalten i.S. des § 42 AO. Diesem Gedanken braucht aber nicht weiter nachgegangen zu werden. Veräußert ein Gesellschafter seine Beteiligung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?