Leitsatz
Wird nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe Wiedereinsetzung hinsichtlich der Revisionseinlegungsfrist gewährt, so kann wegen der aufgrund unterschiedlicher höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehenden rechtlichen Unsicherheit über den Beginn der Revisionsbegründungsfrist auch Wiedereinsetzung hinsichtlich der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren sein.
Sachverhalt
Das FG wies die Klage gegen mehrere Einkommensteuerbescheide ohne mündliche Verhandlung ab, ohne die Revision zuzulassen. Der Kläger hatte das Formular über einen Verzicht auf mündliche Verhandlung mit dem Hinweis auf die "Einverständniserklärung zur mündlichen Verhandlung" übersandt und macht geltend, er habe lediglich seinen Wunsch nach einer mündlichen Verhandlung mitteilen wollen. Der im Hinblick darauf gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Revision hatte Erfolg. Daraufhin legte der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers innerhalb von zwei Wochen Revision ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Erst nach gewährter Wiedereinsetzung beantragte er, die Frist zur Begründung der Revision zu verlängern; innerhalb der antragsgemäß verlängerten Frist wurde die Revision begründet.
Entscheidung
Die als zulassungsfreie Verfahrensrevision wegen fehlender gesetzlicher Vertretung des Klägers nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. statthafte Revision ist nicht wegen Versäumnis der einmonatigen Revisionsfrist unzulässig, weil ihm insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Auch hinsichtlich der versäumten Begründungsfrist hat der BFH Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, obwohl der Kläger dies nicht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Prozesskostenhilfebeschlusses beantragt und die Begründung auch nicht innerhalb dieser Frist vorgelegt hatte und obwohl ein Irrtum des Prozessbevollmächtigten über die Rechtslage eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht rechtfertigt. Die Wiedereinsetzung beruht darauf, dass zumindest nach der Rechtsprechung des BVerwG die Revisionsbegründungsfrist erst mit dem Beschluss über die Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist beginnt und die Unterschiedlichkeit der Rechtsauffassungen der obersten Bundesgerichte den Rechtsbehelfsführern nicht zur Last gelegt werden kann.
Da im Streitfall die Erklärung des Klägers nicht als Verzicht auf mündliche Verhandlung auszulegen ist, ist die Revision auch begründet, so dass das FG nun mündlich verhandeln muss.
Praxishinweis
Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist eine klar, eindeutig und vorbehaltlos vorzunehmende Prozesshandlung; bei ihrer Auslegung und Beurteilung ist der BFH nicht an die Feststellungen des FG gebunden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 04.09.2002, XI R 67/00