Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass § 1 Abs. 2a GrEStG auf alle Personengesellschaften, d.h. auch auf solche Anwendung findet, deren Zweck sich nicht im Halten und Verwalten von inländischen Grundstücken erschöpft.

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist Rechtsnachfolgerin der A-KG (KG). Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war im Jahr 1999 die B-GmbH, einziger, am Gesellschaftsvermögen zu 100% beteiligter Kommanditist war C. Dieser übertrug durch Vertrag vom 28.10.1999 seine Kommanditbeteiligung auf die D-Beteiligungs-GmbH, die 1999 in E-GmbH umbenannte Antragstellerin, der mit dem Ausscheiden der B-GmbH das Gesamthandsvermögen der KG anwuchs. Hierzu gehörten u.a. 263 Grundstücke. Die KG stellte Baufertigteile, Bauwerke, Betonwaren und Baustoffe her und vertrieb diese; ferner erbrachte sie auf dem Bausektor Dienstleistungen. In dem durch den Vertrag vom 28.10.1999 herbeigeführten Gesellschafterwechsel sah das Finanzamt eine nach § 1 Abs. 2a GrEStG der GrESt unterliegende Änderung des Gesellschafterbestandes. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Gegen das klageabweisende Urteil hat die Antragstellerin Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde. Das FG lehnte die von der Antragstellerin begehrte Aussetzung der Vollziehung ab. Die dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass § 1 Abs. 2a GrEStG auf alle Personengesellschaften, d.h. auch auf solche Anwendung findet, deren Zweck sich nicht im Halten und Verwalten von inländischen Grundstücken erschöpft. Soweit in Teilen des Fachschrifttums die Auffassung vertreten wird, im Wege der teleologischen Reduktion sei § 1 Abs. 2a GrEStG einschränkend nur auf lediglich grundbesitzende Personengesellschaften anzuwenden[1], ergeben sich hieraus keine ernstlichen Zweifel. Denn es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der insoweit unzweideutige Wortlaut des § 1 Abs. 2a GrEStG dem Gesetzeszweck nicht entspricht und deshalb einer einschränkenden Auslegung bedarf. Für die Annahme, der Gesetzgeber habe - ohne dass dies im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck gekommen wäre - nur den Gesellschafterwechsel einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft im Blick gehabt und besteuern wollen, gibt es - auch in den Gesetzesmaterialien - keine ausreichende Grundlage. Insbesondere die Gesetzesbegründung[2] spricht gegen diese Annahme. Dort heißt es nämlich: "Nach der vorgeschlagenen Regelung löst der Übergang von mindestens 95 v.H. der Anteile innerhalb von fünf Jahren stets Grunderwerbsteuer aus."

Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 13 Nr. 6 GrEStG. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG ist nicht erkennbar. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Gesellschafterwechsels im Verhältnis zur Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG liegt nicht vor. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich dabei um unterschiedliche Erwerbsvorgänge handelt, die eine abweichende Regelung hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft rechtfertigen. Es handelt sich nicht um (wirtschaftlich) vergleichbare Erwerbsvorgänge. Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG knüpfen zwar an die Übertragung, die Vereinigung oder den Übergang von Gesellschaftsanteilen an, erfassen aber die infolge der Vereinigung oder Übertragung der Anteile an der Gesellschaft mit Grundbesitz spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken[3]. Die Vorschrift erfasst die Sachherrschaft, welche jemand an dem Gesellschaftsgrundstück über die rechtliche Verfügungsmacht an den Gesellschaftsanteilen erlangt[4]. Es handelt sich um einen fingierten Grundstückserwerb durch den Inhaber aller bzw. von mindestens 95 % der Anteile. Dagegen erfasst § 1 Abs. 2a GrEStG nicht die geänderte Sachherrschaft (gesamthänderische Mitberechtigung/Beteiligung am Vermögen der Gesamthand) in der Person des einzelnen Neugesellschafters oder auch mehrerer Neugesellschafter, sondern die geänderte Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke auf der Gesellschaftsebene (Gesamthand als eigenständiger Rechtsträger). § 1 Abs. 2a GrEStG enthält die Fiktion eines (auf Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichteten) Rechtsgeschäfts[5]. Dieser Unterschied rechtfertigt es, bei der Anteilsvereinigung den Erwerber[6] oder die Beteiligten[7], d.h. den oder die Inhaber aller bzw. von mindestens 95 % der Anteile als Steuerschuldner anzusehen und beim steuerbaren Wechsel im Personenstand einer Gesamthand die - an dem fiktiven Erwerbsvorgang beteiligte - "neue" Personengesellschaft als Steuerschuldner zu behandeln[8].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 11.9.2002 – II B 113/02

[1] Vgl. z.B. Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., München 1999, § 1 Rz. 273
[2] Vgl. BT-Drs. 13/5359, S. 116

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