Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
Erhält ein Arbeitnehmer Leistungen aus einer durch Beiträge seines Arbeitgebers finanzierten Gruppenunfallversicherung, die ihm keinen eigenen Rechtsanspruch einräumt, führen im Zeitpunkt der Leistung die bis dahin entrichteten, auf den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers entfallenden Beiträge zu Arbeitslohn, begrenzt auf die ausgezahlte Versicherungsleistung. Der auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallende Anteil der Beiträge führt zu Werbungskosten des Arbeitnehmers, mit denen der steuerpflichtige Arbeitslohn zu saldieren ist. Regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass die Beiträge jeweils hälftig auf das Risiko privater und beruflicher Unfälle entfallen.
Sachverhalt
Im Urteilsfall erhielt ein Arbeitnehmer nach einem Unfall Leistungen von 150000 EUR aus der von seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung, gegen die ihm kein eigener Rechtsanspruch zustand. Das Finanzamt behandelte diese Leistungen in voller Höhe als steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Demgegenüber ging der BFH davon aus, dass der Arbeitgeber mit der Finanzierung des Versicherungsschutzes die Versicherungsbeiträge und nicht die bei Eintritt des Versicherungsfalls tatsächlich gezahlten Leistungen zuwendet. Für den zur Lohnbesteuerung maßgebenden Zufluss des Arbeitslohns ist entscheidend, wann und inwieweit der Arbeitnehmer über die in der Beitragsleistung liegende Zuwendung wirtschaftlich verfügen kann.
Ohne eigenen Rechtsanspruch gegenüber der Versicherung könne der Arbeitnehmer über den erlangten Vorteil wirtschaftlich erst bei Erhalt der Leistungen verfügen. Der Höhe nach beschränke sich der Zufluss von Arbeitslohn auf die bis zur Auszahlung der Versicherungsleistung entrichteten Prämien. Dabei führe der auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallende Anteil der Beiträge zu Werbungskosten des Arbeitnehmers, mit denen der steuerpflichtige Arbeitslohn zu saldieren sei. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beiträge jeweils hälftig auf das Risiko privater und beruflicher Unfälle entfallen.
Hinweis
Zukunftssicherungsleistungen, die der Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer an einen Versicherer erbringt, führen nach bisheriger Rechtsprechung nur dann im Zeitpunkt der Zahlung der Versicherungsprämie zu Arbeitslohn, wenn dem Arbeitnehmer ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht. Nicht entschieden war bisher, wie Zukunftssicherungsleistungen ohne eigenen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers steuerlich zu behandeln sind.
Soweit der BFH im letztgenannten Fall den Zufluss von Arbeitslohn der Höhe nach auf die bis zur Auszahlung der Versicherungsleistung entrichteten Prämien für den Arbeitnehmer beschränkt, widerspricht dieser Ansatz der Auffassung der Finanzverwaltung. Der Fiskus versteuert bisher die an den Arbeitnehmer tatsächlich ausgezahlten Versicherungsleistungen. Nur bei einem im beruflichen Bereich eingetretenen Unfall wird auf eine Lohnbesteuerung verzichtet, soweit der Arbeitgeber gesetzlich zur Schadensersatzleistung verpflichtet ist oder soweit er einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Beschäftigten wegen schuldhafter Verletzung arbeitsvertraglicher Fürsorgepflichten erfüllt (BMF, Schreiben v. 17.7.2000, BStBl 2000 I S. 1024).
Diese Auffassung führt zur Gleichbehandlung von Schadensfällen, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber das Risiko selbst trägt oder sich zur Absicherung eines Dritten, d.h. einer Versicherung bedient. Die Auffassung des BFH führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Schließlich spricht einiges dafür, dass der BFH den Betrag von 150000 EUR versteuert hätte, wenn der Arbeitgeber keine Versicherung abgeschlossen, sondern die Leistung aus eigenen Mitteln erbracht hätte. Diese unterschiedliche Behandlung wirtschaftlich gleichgelagerter Sachverhalte erscheint nicht zweifelsfrei. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Finanzverwaltung der Rechtsprechung folgt oder an ihrer bisherigen Auffassung festhält.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 11.12.2008, VI R 9/05.