Leitsatz

Eine Hochschule oder andere Bildungseinrichtung ist nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, auch wenn diese über einen längeren Zeitraum im Rahmen eines Vollzeitstudiums bzw. Vollzeitunterrichts aufgesucht wird. Die Fahrtkosten dorthin sind deshalb nicht nach Maßgabe der Entfernungspauschale, sondern nach Reisekostengrundsätzen in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abzugsfähig. Bei Benutzung des eignen Pkws ist der Kilometersatz von 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen.

 

Sachverhalt

Nach bisheriger Rechtsprechung begründete die Bildungseinrichtung eine regelmäßige Arbeitsstätte, wenn der Steuerpflichtige diese über einen längeren Zeitraum fast arbeitstäglich aufsuchte und daneben kein Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hat. Hieran hält der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht mehr fest. Die berufliche Fort- und Ausbildung ist stets vorübergehender Natur und kann daher nicht dauerhafter Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit sein. Dies gilt auch für eine berufliche Bildungsmaßnahme, die im Rahmen eines Vollzeitunterrichts über einen längeren Zeitraum die ganze Arbeitszeit des Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt.

Im Übrigen kommt als regelmäßige Arbeitsstätte nur eine ortsfeste Einrichtung des Arbeitgebers in Betracht. Sie kann damit nur der Tätigkeitsmittelpunkt eines bestehenden Arbeitsverhältnis sein. Bildungseinrichtungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht, es sei denn die Fortbildung findet in einer arbeitgebereigenen Einrichtung statt, z.B. in den eigenen Betriebsräumen. In den Urteilsfällen hat der BFH die Fahrten zur Hochschule bei einem Vollzeitstudium und zum anderen die Fahrten zur Fachschule, die ein Zeitsoldat im Rahmen eines Vollzeitunterrichts arbeitstäglich durchführte in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten berücksichtigt.

 

Hinweis

Besucht ein Steuerpflichtiger im Rahmen einer Bildungsmaßnahme, die nicht Ausfluss aus einem Dienstverhältnis ist, eine auswärtige Bildungseinrichtung über einen längeren Zeitraum fast arbeitstäglich und hat er daneben keine regelmäßige Arbeitsstätte, liegt eine berufliche Auswärtstätigkeit vor. Die Bildungseinrichtung wird auch bei Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, die einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte. Praktischer Anwendungsfall ist, dass ein Arbeitnehmer ohne Dienstverhältnis einen Vollzeit-Meisterkurs besucht. Der Werbungskostenabzug für die Wege zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte bestimmt sich nach Reisekostengrundsätzen. Für die ersten 3 Monate der beruflichen Tätigkeit an der Bildungsstätte dürfen die Verpflegungspauschbeträge angesetzt werden.

 

Kommentar

Praxis-Beispiel

Der Schreinergeselle H wohnt und arbeitet in Freiburg. In 2012 beendet er sein Arbeitsverhältnis zum Besuch eines Vollzeitmeisterkurses. Von Januar bis Dezember fährt er täglich zur Handwerkskammer in Offenburg (Entfernung 60 km).

Die Weiterbildung zum Meister ist bereits bisher der Fortbildung und damit dem Bereich der Werbungskosten zugerechnet worden. Während die Kursgebühren und Arbeitsmittel unverändert abzugsfähig sind, beurteilt sich die Höhe der übrigen Werbungskosten aufgrund der Rechtsprechungsänderung nach (Dienst-)Reisegrundsätzen. Die Meisterschule in Offenburg stellt als "arbeitgeberfremde Einrichtung" für die Gesamtdauer der Fortbildung keine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Die Fahrten zur Bildungseinrichtung können in tatsächlicher Höhe, bei Benutzung eines Pkws mit dem Kilometersatz von 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer, also pro Tag mit 36 EUR (0,30 EUR × 120 Km) berücksichtigt werden. Verpflegungsmehraufwendungen sind abzugsfähig, wenn der Arbeitnehmer mindestens als 8 Stunden von zu Hause abwesend ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteile v. 9. 2. 2012, VI R 44/10 und VI R 42/11.

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