Anna-Christina Hartmann, Rainer Hartmann
Leitsatz
Ein Rettungsassistent kann nicht mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander innehaben. Hat er seine Einsätze in Notarzt- und Rettungswagen von zwei verschiedenen Bereitschaftsstellen aus anzutreten, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen, ob eine und ggf. welche der beiden der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit und damit die regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers darstellt.
Sachverhalt
Regelmäßige Arbeitsstätte ist (nur) der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht. Allerdings ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachgeht. Der Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Arbeitnehmer lediglich regelmäßig nur zu Kontrollzwecken aufsucht, ist nicht die regelmäßige Arbeitsstätte.
Liegen diese Voraussetzungen vor, konnte ein Arbeitnehmer nach früherer Rechtsprechung auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander innehaben. Diese Rechtsprechung hat der BFH jedoch aufgegeben. In der aktuellen Entscheidung bestätigt er die Änderung seiner Rechtsprechung. Der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers kann danach nur an einem Ort liegen. Nur insoweit kann er sich auf die immer gleichen Wege einstellen und so. z.B. durch Fahrgemeinschaften, öffentliche Verkehrsmittel oder eine Wohnsitznahme in der Nähe der regelmäßigen Arbeitsstätte, auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Damit stellt sich § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG auch nur insoweit als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip dar. Übt der Arbeitnehmer hingegen an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers seinen Beruf aus, ist es ihm nicht möglich, die anfallenden Wegekosten durch derartige Maßnahmen gering zu halten.
Bei einem Rettungssanitäter, der seiner Einsatztätigkeit in Notarzt- bzw. Rettungswagen von zwei verschiedenen Rettungswachen aus nachgeht, muss deshalb der eine ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit bestimmt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugeordnet worden ist, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnimmt und welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukommt. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte im zeitlichen Abstand immer wieder aufsucht, reicht für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte jedenfalls dann nicht aus, wenn der Steuerpflichtige fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. Der regelmäßigen Arbeitsstätte muss vielmehr hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 19.1.2012, VI R 36/11.