Leitsatz

Veranstaltet ein Arbeitgeber sog. Händler-Incentive-Reisen, so führt die Betreuung der Händler durch eigene Arbeitnehmer bei diesen nicht zu geldwerten Vorteilen, wenn die Betreuungsaufgaben das Eigeninteresse der Arbeitnehmer an der Teilnahme am touristischen Programm in den Hintergrund treten lassen.

 

Sachverhalt

Ein Kfz-Hersteller veranstaltete in den Streitjahren 1989 bis 1994 jährlich 10 bis 15 Händlerwettbewerbe und richtete für die Gewinner Mittelmeerkreuzfahrten sowie Reisen in zahlreiche touristisch interessante Orte bzw. Regionen aus. Planung und Durchführung oblagen einem Reisebüro, das von einem oder zwei eigenen Mitarbeitern, dem "working staff", unterstützt wurde. An den Reisen nahmen eigene Arbeitnehmer als Betreuer, der Ranghöchste unter ihnen als offizieller Repräsentant teil. Letzterer hielt eine Rede und nahm Ehrungen vor. Die Händler wurden überwiegend von ihren Ehefrauen begleitet, worauf auch die eigenen Arbeitnehmer ihre Ehefrauen mitnehmen konnten. An den Reisen beteiligten sich ca. 150 bis 300 – ausnahmsweise bis zu 600 – Händler bzw. deren Mitarbeiter, die von ca. 5 bis 10 – ausnahmsweise 20 – eigenen Arbeitnehmern betreut wurden. Deren Teilnahme sollte der Festigung bestehender Kontakte bzw. der Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen dienen. Das Ergebnis dieser Bemühungen wurde anschließend protokolliert.

Der Kfz-Hersteller behandelte den Reiseaufwand für die Ehefrauen der eigenen Arbeitnehmer – mit Ausnahme der des offiziellen Repräsentanten – als Arbeitslohn und führte insofern Lohnsteuer ab. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung sah das Betriebsstättenfinanzamt auch den Aufwand für die eigenen Arbeitnehmer – ausgenommen der "working staff" – und die Ehefrau des offiziellen Repräsentanten als Arbeitslohn an und erließ einen Haftungsbescheid. Die dagegen erhobene Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Auf die Revision des Finanzamts verwies der BFH die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidung

Die Feststellungen des FG rechtfertigen nicht seinen Schluss, dass die Reisekosten im Wesentlichen dem eigenbetrieblichen Interesse des Kfz-Herstellers und nicht Entlohnungszwecken gedient hätten. Es handelte sich um Erlebnisreisen an Orte von allgemeinem touristischen Interesse, wobei die Arbeitnehmer – gegebenenfalls begleitet von ihren Ehefrauen – wie die Händler an allen Essen, Veranstaltungen und Ausflügen teilnahmen. Ihr diesbezügliches erhebliches Eigeninteresse an den Erlebnisreisen trat nicht schon dadurch in den Hintergrund, dass eine "Rund-um-die-Uhr-Präsentanz" für einen reibungslosen organisatorischen Ablauf eingerichtet war und über persönliche Kontakte Geschäftsbeziehungen verbessert, Informationen eingeholt und Erwartungshaltungen erkundet wurden. Im Übrigen stand nicht fest, in welchem Umfang Fachgespräche geführt wurden bzw. worin Betreuungen bestanden haben. Auch bei dem offiziellen Repräsentanten verdrängen das Halten eines Vortrags bzw. die Vornahme einer Ehrung als betriebsfunktionale Elemente noch nicht das eigene Erlebnisinteresse. Da der Arbeitgeber sein eigenbetriebliches Interesse substantiiert darlegen muss, ist festzustellen, in welchem Umfang dienstliche Tätigkeiten wahrgenommen wurden bzw. worin die Betreuung inhaltlich und zeitlich bestanden hat. Gegebenenfalls ist bei den eigenen Arbeitnehmern von einer gemischt veranlassten Reise auszugehen, die eine Aufteilung der Kostenübernahme in Arbeitslohn und Zuwendungen im eigenbetrieblichen Interesse rechtfertigt.

 

Praxishinweis

Der BFH hätte anhand der bisher getroffenen Feststellungen möglicherweise bereits abschließend würdigen können, ob neben Entlohnungselementen hinreichend eigenbetriebliche Ziele verfolgt wurden. Es erscheint schwierig, wie in solchen Fällen eine Aufteilung der Reise in einen entlohnenden und einen dienstlichen Teil vorgenommen werden kann. Soll etwa Buch geführt werden, welche Zeit jeweils für Dienstgespräche genutzt wurde, um diese Zeit dann in Relation zur Regelarbeitszeit zu setzen? Oder reicht als Betreuung aus, dass der Arbeitnehmer einem Händler schon mal ein Getränk oder etwas vom Büffet mitgebracht hat?

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 5.9.2006, VI R 65/03

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