Regressanspruch gegen Arbeitgeber?

Die Berufsgenossenschaft kann den Arbeitgeber nur dann für Aufwendungen, die infolge eines Arbeitsunfalls entstanden sind, in Regress nehmen, wenn dieser den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Oftmals müssen Gerichte beurteilen, ob grobe Fahrlässigkeit vorgelegen hat.

Sturz in den Kellertreppenschacht

Ein Bauunternehmer hatte einen Mitarbeiter angewiesen, beim Neubau eines Hauses im Bereich eines Kellertreppenschachts Schalplatten zu kürzen und sie anschließend auf dem Trägerbalken festzunageln. Nachdem der Mitarbeiter zunächst andere Arbeiten durchgeführt hatte, betrat er eine der unbefestigten Schalplatten. Diese ragten in den Schacht hinein, woraufhin der Mitarbeiter mit der Platte umkippte und mehr als 2 Meter tief auf den Betonfußboden des Kellergeschosses stürzte. Dabei erlitt er u. a. schwere Kopfverletzungen.

Die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) forderte den Arbeitgeber auf, die von ihr wegen des Arbeitsunfalls erbrachten Aufwendungen zurückzuerstatten. Die BG meinte, der Arbeitgeber habe grob fahrlässig gehandelt, als er den Mitarbeiter mit Arbeiten in dem ungesicherten Kellertreppenschacht beauftragte. Er habe es pflichtwidrig unterlassen, die Unfallstelle gemäß den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften mit einer Absturzsicherung wie zum Beispiel einem Geländer zu sichern.

Unfallver­hütungsvorschriften

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) war der beklagte Arbeitgeber hingegen nicht dazu verpflichtet, der Berufsgenossenschaft die Aufwendungen für den Arbeitsunfall zu erstatten. Ein Arbeitgeber hafte der Berufsgenossenschaft für die infolge des Arbeitsunfalls entstandenen Aufwendungen gemäß § 110 SGB VII nämlich nur dann, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe.

Grobe Fahrlässigkeit?

Dabei könne nicht jeder Verstoß gegen einschlägige Unfallverhütungsvorschriften als ein grob fahrlässiges Verhalten betrachtet werden. Denn wegen ihrer an die Berufsgenossenschaft gezahlten Beiträge sollten die Unternehmer grundsätzlich von einer Haftung freigestellt sein. Sie sollten im Wege des Rückgriffs nur dann in Anspruch genommen werden, wenn eine besonders krasse und subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliege.

Kein Fehlverhalten des Arbeitgebers

Ein derartiges Fehlverhalten des Arbeitgebers konnte das OLG hier nicht feststellen. Die von der BG herangezogene Unfallverhütungsvorschrift war nach Auffassung des Gerichts erst nach Abschluss und nicht während der laufenden Verschalungsarbeiten anzuwenden. Andernfalls wären derartige Arbeiten praktisch kaum durchführbar.

Im Übrigen handelte es sich bei dem verunglückten Mitarbeiter um einen erfahrenen Beschäftigten. Der Arbeitgeber musste daher nicht damit rechnen, dass der Mitarbeiter sich nicht an die allgemeinen Arbeitsanweisungen halten und auf die ihm bekanntermaßen losen Schalbretter treten würde.

(Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil v. 6.3.2014, 11 U 74/13)

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