Ein Vorgesetzter, der einen Beschäftigten entgegen den eindeutigen Unfallverhütungsvorschriften ungesichert auf einem Dach arbeiten lässt, muss damit rechnen, dass ihn der Sozialversicherungsträger im Fall eines Unfalls des Beschäftigten in Regress nimmt. Das gilt auch dann, wenn der Verletzte Mitarbeiter eines befreundeten Unternehmens ist.
Schwerer Arbeitsunfall
Vorausgegangen war ein schwerer Arbeitsunfall eines Versicherten der Berufsgenossenschaft. Der gesetzlich unfallversicherte Verletzte war von seinem Arbeitgeber zusammen mit einem Kollegen vorübergehend an das Unternehmen, für welches der Beklagte tätig war, ausgeliehen worden, um bei Dacherrichtungsarbeiten zu helfen. Bei dieser Tätigkeit stürzte der Versicherte von dem Dach, wobei er sich schwere Schädel- und Wirbelverletzungen zuzog. Seitdem war er querschnittsgelähmt.
Die Unfallstelle war zum Zeitpunkt des Zwischenfalls entgegen eindeutiger Unfallverhütungsvorschriften nur unzureichend gesichert. Darauf war der für die Baustelle verantwortliche Beklagte auch ausdrücklich hingewiesen worden. Gleichwohl ließ er den Beschäftigten auf dem Dach arbeiten.
Grobe Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften
Die Berufsgenossenschaft warf dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit vor. Er habe als Verantwortlicher in der konkreten Situation darauf achten müssen, den Beschäftigten keine Arbeiten zuzuweisen, die deren Gesundheit gefährden konnten. Der Beklagte sei daher auf dem Regressweg von der Berufsgenossenschaft zu belangen, wobei es um einen Betrag von 950.000 EUR ging.
Das OLG Koblenz erblickte im Verhalten des Beklagten ebenfalls eine grobe Fahrlässigkeit. Der Beklagte habe seine Sorgfaltspflichten in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, als er den Beschäftigten in Kenntnis der unzureichenden Sicherungsmaßnahmen auf dem Dach arbeiten ließ.
Der Beklagte konnte nicht erfolgreich einwenden, dass der Verletzte Mitarbeiter eines befreundeten Unternehmens war. Denn er war für die Baustelle verantwortlich und gegenüber allen für seinen Betrieb tätigen Beschäftigten weisungsbefugt.
Kein Mitverschulden des Verletzten
Ein Mitverschulden des Verletzten an dem Unfall, weil dieser in Kenntnis der unzureichenden Absicherung auf das Dach gestiegen war, erblickte das Gericht nicht. Der Beschäftigte habe lediglich die Weisungen des Vorgesetzten befolgt.
Anzumerken bleibt, dass für den Kreis der leitenden Mitarbeiter im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung des Unternehmens in der Regel auch Versicherungsschutz bei Regressansprüchen der Berufsgenossenschaft besteht.
(OLG Koblenz, Urteil v. 22.5.2014, 2 U 574/12)