Leitsatz

Ob die an den Typus des häuslichen Arbeitszimmers anknüpfenden Abzugsbeschränkungen eingreifen, ist durch eine wertende Beurteilung insbesondere von Lage, Nutzungszweck und Einrichtung des Raumes zu ermitteln. Danach kann auch ein im Keller des selbst bewohnten Einfamilienhauses als Archiv genutzter Raumunter die Abzugsbeschränkungen fallen.

 

Sachverhalt

Der als angestellter Bauingenieur tätige Kläger nutzte im Streitjahr 1996 in dem von ihm und seiner Ehefrau bewohnten Einfamilienhaus für berufliche Zwecke ein Arbeitszimmer (16,8 qm) und ein im Keller gelegenes Archiv (9 qm), das beheizt war und über ein Außenfenster verfügte. Dort waren ca. 500 Aktenordner und Fachbücher für die Bauingenieurtätigkeit untergebracht. Die Einrichtung bestand aus Regalen und einem Ablagetisch. Dem Kläger stand kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Von den Aufwendungen für das Arbeitszimmer (11 346 DM) und das Archiv (5 664 DM) erkannte das Finanzamt letztlich 2 400 DM an. Das FG ließ neben den 2 400 DM für das Arbeitszimmer sämtliche Aufwendungen für das Archiv zum Abzug zu. Dieser Raum sei kein häusliches Arbeitszimmer, da dort keinerlei Tätigkeiten verrichtet würden und es insoweit auch keine Berührung mit dem häuslichen Leben des Klägers gebe. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidung

Der Ausschluss bzw. die Beschränkung von Werbungskosten greift nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bei Aufwendungen für ein "häusliches Arbeitszimmer" ein. Diese Regelung definiert den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers nicht im Gesetz, knüpft aber an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geprägten Begriff an. Dabei handelte es sich typischerweise um einen büromäßigen Arbeitsraum, während andere beruflich genutzte Räume als Werkstatt, Lager oder Praxis bezeichnet wurden. Danach muss nicht jeder beruflich genutzte Raum unter die Abzugsbeschränkung fallen, wie schon der Wortlaut ("Arbeitszimmer" und nicht bloß "Raum") zeigt. Andererseits nennt die Gesetzesbegründung als Anwendungsfälle beispielhaft auch die "kleine" Steuerberater- oder Anwaltspraxis, woraus immerhin geschlossen werden kann, dass derartige "reguläre" Praxen nicht unter die Beschränkung fallen sollen. Mithin kommt es nicht allein auf den räumlichen Zusammenhang mit dem Haus bzw. der Wohnung des Steuerpflichtigen an, sondern ebenso darauf, wie der Raum genutzt wird. Insgesamt ist eine Würdigung vorzunehmen, ob der Raum nach Lage, Funktion und Ausstattung noch dem typischen in die häusliche Sphäre eingebundenen Büro entspricht oder nicht, wobei die Grenzen fließend sind. Dagegen reicht nicht schon aus, dass der Raum zur Wohnung gehört oder dass er überhaupt für die Verrichtung von Arbeit hergerichtet ist. Allerdings schließt die Nutzung eines Raumes als Archiv die Beschränkung nicht bereits aus. Insbesondere kann dem FG nicht gefolgt werden, das Archiv diene nicht der Verrichtung menschlicher Arbeit, sondern der Aufbewahrung und scheide deshalb aus dem Bereich des häuslichen Arbeitszimmers aus. Denn auch im typischen Arbeitszimmer werden Bücher und Akten aufbewahrt, und es werden dort mit Einordnen, Sichten und Heraussuchen Tätigkeiten wie in einem Archiv verrichtet. Ein Archiv kann also trotz räumlicher Trennung eine funktionale Einheit mit dem Arbeitszimmer bilden. Das FG wird nunmehr festzustellen haben, ob das Archiv nach Ausstattung, Lage und Funktion als Teil des häuslichen Arbeitszimmers angesehen werden kann.

 

Praxishinweis

Bei reiner Aufteilung von Arbeits- und Aufbewahrungsfunktionen bleibt es bei der Abzugsbeschränkung. Die geforderte Gesamtwürdigung führt erst dann zu einem anderen Ergebnis, wenn Besonderheiten hinsichtlich

  • Lage, z.B. deutliche Ausgliederung aus dem häuslichen Bereich,
  • Funktion, z.B. reine Lagerung von gegebenenfalls verderblichen Waren oder gefährlichen Materialien,
  • Ausstattung, z.B. funktionsbedingtes Fließen der Wände oder andere besondere berufsbedingte Baulichkeiten,
  • Intensität der Nutzung, z.B. reguläre Praxis, Publikumsverkehr, Einsatz familienfremder Beschäftigter

zu dem Ergebnis führen, dass sich der zu beurteilende Raum deutlich vom Normalbild des häuslichen Arbeitszimmers entfernt hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.09.2002, VI R 70/01

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