Leitsatz
Hebt die Finanzbehörde während eines finanzgerichtlichen Verfahrens den angefochtenen Haftungsbescheid unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Haftungsbescheids auf, so ist der neue Haftungsbescheid noch innerhalb der nach § 171 Abs. 3a Satz 1 AO gehemmten Festsetzungsfrist ergangen.
Sachverhalt
Der Geschäftsführer einer GmbH wurde 1998 wegen rückständiger Umsatzsteuer als Haftungsschuldner (Haftungsbescheid I) in Anspruch genommen worden. Er klagte und erreichte, dass das Finanzamt diesen Bescheid in 2000 aufhob. Das Finanzamt übersandte ihm jedoch einen neuen Haftungsbescheid (Haftungsbescheid II) und führte hierzu aus, der Haftungsbescheid I werde in vollem Umfang zurückgenommen und durch einen in seiner Begründung ergänzten Haftungsbescheid II ersetzt. Darauf stellte das FG durch Urteil die Erledigung des Klageverfahrens gegen den Haftungsbescheid I fest. Gegenstand der Entscheidung des BFH ist der Haftungsbescheid II, den das FG wegen Ablaufs der vierjährigen Festsetzungsfrist für rechtswidrig gehalten hat.
Entscheidung
Die Festsetzungsfrist war bei Erlass des Haftungsbescheids II noch nicht abgelaufen, denn sie war durch Klageerhebung gegen den Haftungsbescheid I gehemmt. Die Hemmung dauerte fort. Denn nach § 171 Abs. 3a Satz 1 AO läuft die Festsetzungsfrist eines mit einem Einspruch oder einer Klage angefochtenen Haftungsbescheids nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Eine solche Entscheidung war bei Erlass des Haftungsbescheids II noch nicht ergangen; sie läge erst mit dem Urteil des FG vor. An dessen Stelle könnte die Abgabe einer übereinstimmenden Erledigungserklärung treten, möglicherweise auch allein die Erledigungserklärung des Haftungsschuldners, sicher aber nicht erst die Kostenentscheidung des FG.
Praxishinweis
Die Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide beträgt – wie für Steuerbescheide – grundsätzlich vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der haftungsbegründende Tatbestand verwirklicht wird, hier also mit Ablauf des Jahrs der Nichtentrichtung der in der Umsatzsteuerjahreserklärung errechneten Umsatzsteuerschuld.
Der BFH hat mitunter formuliert, mit der Aufhebung eines Bescheids trete seine Unanfechtbarkeit und damit der Verlust der ablaufhemmenden Wirkung unabhängig von den Gründen ein, die Anlass der Aufhebung waren. Die Besprechungsentscheidung hat die Bedeutung dieses für sich genommen missverständlichen Satzes richtig gestellt.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 5.10.2004, VII R 18/03