Thomas Schlüter, Mirjam Luserke
Rz. 1023
Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder ist sie überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Regelung des § 15a Abs. 1 InsO wurde aufgrund des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22.12.2020 dahingehend geändert, dass der Eröffnungsantrag nicht nur spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, sondern (spätestens) auch sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen ist.
Rz. 1023a
Der Bundesgerichtshof hatte bereits zum vorherigen Wortlaut der Norm entschieden, dass die Dreiwochenfrist (nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit) eine Höchstfrist ist und daher nur dann voll ausgeschöpft werden darf, wenn dafür triftige Gründe vorliegen. Wenn von Anfang an feststeht oder sich vor Ablauf der Frist herausstellt, dass keine ernsthaften Erfolgsaussichten für eine außergerichtliche Sanierung bestehen, muss umgehend der Insolvenzantrag gestellt werden.
Rz. 1023b
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz wird ausgeführt, dass hinsichtlich der Sanierungsbemühungen zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung durch die neue Regelung differenziert wird. Bei der Zahlungsunfähigkeit bleibt es dabei, dass die Ungewissheit über eine Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit längstens drei Wochen hinzunehmen ist. Zur Beseitigung einer Überschuldung stehen hingegen zukünftig bis zu sechs Wochen zur Verfügung. Die Verlängerung soll es dem Schuldner ermöglichen, laufende Sanierungsbemühungen außergerichtlich noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen oder gegebenenfalls eine Sanierung im präventiven Restrukturierungsrahmen oder auf der Grundlage eines Eigenverwaltungsverfahrens ordentlich und gewissenhaft vorzubereiten. Im Übrigen bleibt es jedoch dabei, dass nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein Eröffnungsantrag ohne schuldhaftes Zögern zu stellen ist. Dies bedeutet, dass die Höchstfristen nicht ausgeschöpft werden dürfen, wenn zu einem früheren Zeitpunkt feststeht, dass eine nachhaltige Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung nicht erwartet werden kann. Wenn ersichtlich ist, dass Sanierungsbemühungen keine Erfolgsaussichten (mehr) haben, ist der Insolvenzantrag umgehend zu stellen.
Rz. 1023c
Im Fall der Führungslosigkeit einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis (§ 15a Abs. 3 InsO).
Rz. 1024
Das "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVFAbG)", das am 1. März 2020 in Kraft getreten ist, enthält als Teil eines umfassenden Schutzpakets u. a. den Artikel 1, und zwar das "Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID- 19-Insolvenzaussetzungsgesetz–COVInsAG)".
Aufgrund des Gesetzes erfolgte
- eine befristete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (§ 1),
- eine Regelung zu den Folgen der Aussetzung (§ 2),
- eine Suspendierung des Rechts des Gläubigers auf Beantragung des Insolvenzverfahrens (§ 3) und
- eine Verordnungsermächtigung für die Möglichkeit der Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und der Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen (§ 4).
Rz. 1024a
Der Gesetzgeber hatte u. a. die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies galt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID- 19-Pandemie) beruhte oder wenn keine Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wurde vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhte und Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 bis 3 CovInsAG).
Das Gesetz ist zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieses Buches nicht verlängert worden.