Leitsatz
- Wird nach dem Gesetz nicht geschuldete Umsatzsteuer in einer Rechnung ausgewiesen, entsteht im Zeitpunkt der Rechnungsausgabe eine Umsatzsteuerschuld, die auch dann erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Rechnung berichtigt wird, durch Vergütung des entsprechenden Betrags zu berichtigen ist, wenn die Umsatzsteuer noch nicht festgesetzt oder angemeldet worden war.
- Der Vergütungsanspruch entsteht insolvenzrechtlich im Zeitpunkt der Rechnungsausgabe; gegen ihn kann im Insolvenzverfahren mit der Umsatzsteuerforderung aufgerechnet werden.
Sachverhalt
Der spätere Schuldner hatte vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erteilt, obwohl seine Leistung nicht der Umsatzsteuer unterlag. Während des Insolvenzverfahrens wurde dies entdeckt, die Rechnung eingezogen und eine neue Rechnung ohne Steuerausweis ausgestellt; Vorsteuer hatte der Leistungsempfänger nicht geltend gemacht. Das Finanzamt nahm dementsprechend einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe der in der Ursprungsrechnung ausgewiesenen, jedoch nicht angemeldeten und bezahlten Umsatzsteuer an und rechnete dagegen mit dem durch die Rechnungserteilung begründeten unbefriedigten Umsatzsteueranspruch auf.
Entscheidung
Die Aufrechnung ist wirksam. Die Berichtigung des Umsatzsteuerausweises in einer dem Käufer erteilten Rechnung lässt den Anspruch des Finanzamts auf Umsatzsteuer nicht rückwirkend entfallen, so dass eine gegebenenfalls darüber ergangene Umsatzsteuerfestsetzung nach §175 Abs.1 Nr.2 AO zu ändern ist. Die Berichtigung hat vielmehr die Rechtsfolge, dass in dem Voranmeldungszeitraum der Rechnungskorrektur ein Umsatzsteuervergütungsanspruch entsteht; das gilt auch dann, wenn die aufgrund des – später berichtigten – Rechnungsausweises geschuldete Umsatzsteuer noch gar nicht angemeldet oder festgesetzt worden ist. Die Vergütung wird das Finanzamt nicht i.S. des §96 Abs.1 Nr.1 InsO erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig, so dass eine Aufrechnung mit Umsatzsteuerforderungen des Finanzamts ausgeschlossen wäre; der Vergütungsanspruch war vielmehr bereits bei Rechnungserteilung – im Streitfall also vor Verfahrenseröffnung – insolvenzrechtlich "begründet", so dass das Finanzamt gegen ihn im Insolvenzverfahren aufrechnen kann.
Praxishinweis
Durch mehrere Entscheidungen hat der BFH inzwischen geklärt, dass das Finanzamt im Insolvenzverfahren auch mit seinen nicht durch entsprechende Steuerbescheide oder Anmeldungen titulierten, auf vor Verfahrenseröffnung liegenden Rechtsvorgängen beruhenden Steuerforderungen aufrechnen kann; denn diese Forderungen werden nicht erst nach §220 Abs.2 Satz2 AO mit ihrer Festsetzung fällig, sondern nach §220 Abs.2 Satz1 AO mit ihrer materiell-rechtlichen Entstehung. Es fehlt folglich auch bei vor Verfahrenseröffnung entstandenen, aber steuerverfahrensrechtlich nicht verwirklichten Steuern nicht an der Aufrechnungsvoraussetzung der Fälligkeit.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 4.2.2005, VII R 20/04