Rz. 772
Das Aktiengesetz schreibt vor, dass der Aufsichtsrat nach näherer Bestimmung der Satzung aus seiner Mitte einen Aufsichtsratsvorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen hat (§ 107 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Vorstand der AG hat zum Handelsregister anzumelden, wer gewählt ist. Der Stellvertreter hat nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden, wenn dieser verhindert ist (§ 107 Abs. 1 Satz 2, 3 AktG). Die Vorschrift des § 52 Abs. 1 GmbHG verweist für den fakultativen Aufsichtsrat zwar nicht auf Absatz 1 dieser Regelung. Die Wahl eines Aufsichtsratsvorsitzenden ist jedoch auch in den Fällen von fakultativen Aufsichtsräten selbst ohne eine entsprechende ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag oder in der Geschäftsordnung möglich. Denn § 52 Abs. 1 GmbHG verweist – neben § 107 Abs. 3 Satz 2, 3 und Abs. 4 GmbHG – auch auf die Regelung des § 110 AktG. Danach kann jedes Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats unverzüglich den Aufsichtsrat einberuft (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AktG). Ohne die Möglichkeit der Wahl eines Aufsichtsratsvorsitzenden aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG würde somit die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Satz 1 teilweise leerlaufen.
Rz. 773
Außerdem ist ein Aufsichtsratsvorsitzender für die Arbeitsfähigkeit des Kontrollorgans praktisch unumgänglich. Aus organisatorischen Gründen ist daher jeder GmbH, unabhängig von deren Größe, zu empfehlen, im Gesellschaftsvertrag einen Vorsitzenden für den Aufsichtsrat vorzusehen. Dies entspricht auch der Praxis in Wohnungs- und Immobilienunternehmen. So sehen der Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften mbH und die Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat einer Wohnungsgesellschaft mbH ebenfalls vor, dass der Aufsichtsrat einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter wählt (§ 10 Abs. 6 GV; § 2 Satz 1 GO-AR).
Rz. 774
Im GmbH-Gesetz und im Aktiengesetz finden sich zu den Aufgaben des Aufsichtsratsvorsitzenden nur wenige Regelungen, unter anderem:
- Angabe des Aufsichtsratsvorsitzenden auf Geschäftsbriefen (§ 35a GmbHG),
- Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse (§ 109 Abs. 1 AktG),
- Einberufung des Aufsichtsrats (§ 110 AktG).
Rz. 775
Weitere Einzelheiten zu den Aufgaben des Aufsichtsratsvorsitzenden finden sich jedoch in der Regel in den Gesellschaftsverträgen und in den Geschäftsordnungen, so auch im Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften mbH und in der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat einer Wohnungsgesellschaft mbH:
- Abschluss der Anstellungsverträge mit Geschäftsführern durch den Aufsichtsratsvorsitzenden (§ 7 Abs. 3 GV),
- Einberufung und Leitung der Aufsichtsratssitzungen (§ 13 Abs. 1 Satz 2, 3 GV),
- Abgabe von Erklärungen des Aufsichtsrats (§ 13 Abs. 5 GV),
- Abstimmung mit den Geschäftsführern vor deren Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 17 Abs. 1 GV),
- Leitung der Gesellschafterversammlung (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GV),
- Unterzeichnung der Niederschrift über die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (§ 18 Abs. 6 Satz 1 GV),
- Möglichkeit der jederzeitigen Einberufung von Ausschüssen (§ 4 Abs. 4 Satz 1 GO-AR),
- Entscheidung über die Teilnahme der übrigen Aufsichtsratsmitglieder an Ausschusssitzungen (§ 4 Abs. 5 GO-AR),
- Unterrichtung der übrigen Aufsichtsratsmitglieder über das Ergebnis der Verhandlungen der Ausschüsse (§ 4 Abs. 6 Satz 2 GO-AR).