Rz. 640
Überblick
Der Gesellschaftsvertrag kann für den fakultativen Aufsichtsrat – über die entsprechend anzuwendenden gesetzlichen Voraussetzungen hinaus – weitere Anforderungen im Gesellschaftsvertrag vorsehen. In der Praxis der Wohnungs- und Immobiliengesellschaften können dabei, abhängig von den Besonderheiten der jeweiligen GmbH (unter anderem der Gesellschafterstruktur) vor allem in Betracht kommen:
- Altersgrenzen (Höchstalter),
- der Ausschluss von Interessenkollisionen und
- die Einhaltung einer Wartezeit nach Ausscheiden aus der Geschäftsführung.
Rz. 641
Zulässig sind auch Regelungen, die vorschreiben, dass dem Aufsichtsrat eine bestimmte Anzahl von Männern und Frauen angehören muss (Geschlechterquoten).
Rz. 642
Altersgrenzen
Altersgrenzen (Höchstalter) für die Wahl und Wiederwahl in den Aufsichtsrat sind grundsätzlich zulässig und im Bereich der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vor allem bei Wohnungsgenossenschaften weit verbreitet. Der Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften mbH enthält keine Altershöchstgrenze. Die Mustersatzung für Wohnungsgenossenschaften empfiehlt eine von der jeweiligen Genossenschaft individuell festzulegende Altersgrenze ("Wahl bzw. Wiederwahl kann nur vor Vollendung des ___ Lebensjahres erfolgen", § 24 Abs. 1 Satz 5 MS).
Rz. 643
Entsprechend der Regelung in der Mustersatzung könnte eine Regelung über eine Altershöchstgrenze für Aufsichtsratsmitglieder in einem Gesellschaftsvertrag lauten: "Wahl bzw. Wiederwahl kann nur vor Vollendung des ___ Lebensjahres erfolgen". Entsprechend der Praxis der Wohnungsgenossenschaften kann das vollendete 70. Lebensjahr eine Orientierung für die Festlegung des konkreten Höchstalters sein.
Rz. 644
Ausschluss von Interessenkollisionen
Im Gesellschaftsvertrag kann geregelt werden, dass bestimmte Fälle von Interessenkollisionen der Bestellung zum Mitglied des Aufsichtsrats entgegenstehen. Die Wahl in den Aufsichtsrat kann zum Beispiel auch durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden, wenn bereits Angehörige des Bewerbers (Ehegatte, Lebenspartner oder Verwandte) der Geschäftsführung oder dem Aufsichtsrat angehören. Der Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften mbH enthält eine entsprechende Vorschrift nicht. Wie im Fall einer Altersgrenze könnte sich aber auch in diesem Zusammenhang ggf. eine Orientierung an der Mustersatzung für Wohnungsgenossenschaften anbieten und zum Beispiel eine Formulierung verwendet werden, wonach Mitglieder des Aufsichtsrats nicht sein können, die Angehörige eines Mitglieds der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats gemäß § ___ oder eines Mitarbeiters sind, der in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft steht (§ 24 Abs. 2 Satz 3 MS). Die entsprechende Regelung des § 21 Abs. 2 MS zur Definition des Begriffs "Angehörige eines Mitglieds der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats" würde hier für eine GmbH entsprechend lauten:
- Ehegatten, Verlobte, Mitglieder einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft oder eingetragene Lebenspartner,
- Geschwister der in Nr. 1 genannten Personen,
- Eltern, Kinder, Enkel oder Geschwister sowie deren Ehegatten, Verlobte, Mitglieder einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft oder eingetragene Lebenspartner.
Rz. 645
Zulässig ist auch eine Regelung, nach der Personen aus bestimmten Berufsgruppen, vor allem des Baugewerbes, der Immobilienbranche (Immobilienmakler) und von Unternehmen, zu deren Geschäftszweig die Baufinanzierung gehört, nicht die Mehrheit (oder zum Beispiel mehr als ein Drittel der Mitglieder) im Aufsichtsrat stellen oder diesem Organ nicht angehören dürfen.
Rz. 646
Einhaltung einer Wartezeit
Im Gesellschaftsvertrag kann auch geregelt werden, dass ein Wechsel von der Geschäftsführung in den Aufsichtsrat erst nach Ablauf einer Wartezeit möglich ist. Darüber hinaus kann sogar durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag vorgeschrieben werden, dass ein solcher Wechsel ganz ausgeschlossen ist.
Rz. 647
Für die Regelung einer Wartezeit spricht, dass durch eine zeitliche Unterbrechung vor dem Wechsel vom Leitungs- in das Kontrollorgan der GmbH Interessenkonflikte vermieden und die Eigenständigkeit des Kontrollorgans gestärkt werden können. Im Gegensatz zum Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften enthält die Mustersatzung für Wohnungsgenossenschaften die Empfehlung, dass ehemalige Aufsichtsratsmitglieder erst zwei Jahre nach Ausscheiden aus dem Amt und nach erteilter Entlastung in den Vorstand bestellt werden können.
Rz. 648
Nach dem "Deutschen Corporate Governance Kodex" soll die Anteilseignerseite, wenn sie die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder von der Gesellschaft und vom Vorstand (für den Fall der AG) einschätzt, insbesondere unter anderem berücksichtigen, ob das Aufsichtsratsmitglied in den zwei Jahren vor der Ernennung Mitglied des Vorstands der Gesellschaft war. Der Deutsche Corporate Governance Kodex stellt wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher ...