Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
- Sachzuwendungen an Arbeitnehmer anlässlich einer 2-tägigen Reise, die sowohl eine Betriebsveranstaltung als auch eine aus ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interessen durchgeführte Betriebsbesichtigung bei einem Hauptkunden des Arbeitgebers umfasst, sind grundsätzlich aufzuteilen.
- Die Aufwendungen des Arbeitgebers für eine derartige Reise sind insgesamt kein Arbeitslohn, wenn die dem Betriebsveranstaltungsteil zuzurechnenden, anteiligen Kosten die für Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen maßgebliche Freigrenze nicht übersteigen. Die dem Betriebsbesichtigungsteil zuzurechnenden, anteiligen Kosten stellen ebenfalls keinen Arbeitslohn dar, wenn die Besichtigung im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse durchgeführt wird und damit keinen Entlohnungscharakter hat.
Problematik
Im Streitfall führte der Arbeitgeber einen Betriebsausflug durch, der an einem Freitag um 15.00 Uhr begann. Am Abend dieses Tages fand eine Betriebsfeier statt. Nach einer Übernachtung folgte am nächsten Tag die Besichtigung des Betriebs eines Hauptkunden des Arbeitgebers. Die Veranstaltung endete anschließend gegen 17.30 Uhr.
Das Finanzamt erfasste die Aufwendungen für den Betriebsausflug als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Das Finanzgericht wies die Klage des Arbeitgebers ab, da nach seiner Meinung ein 2-tägiger Betriebsausflug vorlag und die Aufwendungen je Teilnehmer 205 DM betragen hatten.
Entscheidung des BFH
Der BFH gab hingegen dem Arbeitgeber Recht. Er geht davon aus, dass für die Berechnung, ob die Freigrenze überschritten ist, alle durch die Betriebsveranstaltung veranlassten Aufwendungen des Arbeitgebers – aber auch nur diese – einzubeziehen sind. Außerdem verweist er auf seine neuere Rechtsprechung, wonach die Aufteilung von Sachzuwendungen an Arbeitnehmer, insbesondere bei Reisen, ausdrücklich zugelassen wird. Im vorliegenden Fall war die Reise nach Überzeugung des Gerichts gemischt veranlasst. Denn sie enthielt sowohl Elemente einer Betriebsveranstaltung als auch einer hiervon zu trennenden, aber ebenfalls im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin durchgeführten Betriebsbesichtigung. Die Aufteilung der Reiseaufwendungen nach dem Verhältnis der Zeitanteile führte dazu, dass die Aufwendungen des Arbeitgebers, die dem Betriebsveranstaltungsteil zuzurechnen waren, die im Streitjahr maßgebende Freigrenze von 200 DM (ab 2002: 110 EUR) je teilnehmendem Arbeitnehmer nicht überschritten.
Konsequenzen für die Praxis
Sachzuwendungen an Arbeitnehmer anlässlich einer mehrtägigen Reise, die sowohl eine Betriebsveranstaltung als auch eine Betriebsbesichtigung bei einem Hauptkunden des Arbeitgebers umfasst, sind – und das ist die Konsequenz der vorliegenden Entscheidung – grundsätzlich aufzuteilen.
Die Aufwendungen des Arbeitgebers für eine derartige Reise können gegebenenfalls insgesamt lohnsteuerfrei sein. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die dem Betriebsveranstaltungsteil zuzurechnenden, anteiligen Kosten unter der Freigrenze von 110 EUR bleiben. Die dem Betriebsbesichtigungsteil zuzurechnenden, anteiligen Kosten stellen ohnehin keinen Arbeitslohn dar, wenn die Besichtigung im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse durchgeführt wird und damit keinen Entlohnungscharakter hat.
Für die Praxis bedeutsam erscheint der Ansatz des BFH, die Reisekosten nach dem Verhältnis der Zeitanteile der Betriebsveranstaltung bzw. der Betriebsbesichtigung aufzuteilen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 16.11.2005, VI R 118/01, DB 2006 S. 596