Leitsatz

Aufwendungen eines Ehepaars für eine heterologe künstliche Befruchtung können als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sein (Änderung der Rechtsprechung im BFH-Urteil v. 18.5.1999, III R 46/97, BFH/NV 1999 S. 1424).

 

Sachverhalt

K, der an organisch bedingter Sterilität leidet, entschloss sich mit seiner Ehefrau F zur Erfüllung des Kinderwunschs zur donogenen Insemination (Spendersamen). Nach Beratung auch über die rechtlichen Aspekte und möglichen Folgen der Verwendung von heterologen Samen genehmigte die Ärztekammer die Behandlung. K und F machten die mit der künstlichen Befruchtung entstandenen Kosten von 21.345 EUR erfolglos als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Klage war erfolgreich. Der BFH bestätigte in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung des FG.

 

Entscheidung

Aufwendungen zu Heilungszwecken oder mit dem Ziel, eine Krankheit erträglich zu machen, sind grundsätzlich als außergewöhnliche

Belastung abziehbar. Dazu gehören auch medizinische Maßnahmen, die den körperlichen Mangel nicht beseitigen sondern nur ausgleichen, z.B. Zahnersatz, Brillen, Hörapparate, Rollstühle, Blindencomputer und Treppenschräglifte. Hieraus resultieren regelmäßig krankheitsbedingte außergewöhnliche Belastungen. Dies gilt auch im Fall der künstlichen Befruchtung einer unverheirateten Frau.

Die dem entgegenstehende Rechtsprechung zur künstlichen Befruchtung einer verheirateten Frau mit Spermien eines Dritten wird aufgegeben. Der BFH stützt sich insoweit auch auf die Rechtsprechung anderer Bundesgerichte und den dort entwickelten Krankheitsbegriff. Danach gilt die organisch bedingte Sterilität eines Ehepartners als Krankheit, weil die Fortpflanzungsfähigkeit für die Ehepartner, die sich für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion darstellt.

Im Sinne dieses Krankheitsbegriffs – nicht nur Ursachenbeseitigung, sondern auch Linderung der Krankheit – kann die ärztliche Tätigkeit auch auf die Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ gerichtet sein, wie eben im Streitfall. Die intracytoplasmatische Spermieninjektion ersetzt die gestörte Fertilität der Spermien durch einen ärztlichen Eingriff, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden und eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Die Maßnahme beseitigt damit die Kinderlosigkeit eines Paares, der zwar nicht selbst Krankheitswert zukommt, die aber eine unmittelbare Folge einer Erkrankung ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 16.12.2010, VI R 43/10.

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