Das steht im Urteil
Einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung eines Konkurrenten hat ein Steuerzahler unbeschadet des Steuergeheimnisses dann, wenn er substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können. Die Auskunft darf erteilt werden, wenn die Konkurrentenklage nicht offensichtlich unzulässig wäre; die Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem Auskunftsantragsteller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen.
Der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG enthaltene Grundsatz der steuerlichen Neutralität kann von einem Steuerzahler im Wege der Konkurrentenklage geltend gemacht werden, wenn Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die Tätigkeiten oder Leistungen, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, als Nichtsteuerpflichtige behandelt werden und dies zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt
Es kommt ernstlich in Betracht, § 2 Abs. 3 UStG drittschützende Wirkung beizulegen.
Der Sachverhalt
Der Betreiber eines Krematoriums (B) war der Auffassung, die Umsätze eines mit ihm konkurrierenden Gemeindekrematoriums würden zu Unrecht nicht zur Umsatzsteuer herangezogen. Da ihn die Gemeinde deshalb unterbieten könne, habe er Umsatzeinbußen gehabt. Um eine Konkurrentenklage wegen der Nichtbesteuerung der Gemeinde erheben zu können, benötige er vom Finanzamt Auskunft insbesondere darüber, wann und unter welcher Steuernummer der letzte noch anfechtbare Umsatzsteuerbescheid gegen die Gemeinde ergangen sei. – Das Finanzamt lehnte die Erteilung der Auskunft mit Hinweis auf das Steuergeheimnis ab. Eine entsprechende Klage des B hatte dagegen Erfolg. Das Finanzgericht hielt die Klage für zulässig; das Finanzamt wurde verpflichtet, B erneut zu bescheiden.
Auf die hiergegen gerichtete Revision des Finanzamts hat der BFH zunächst eine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt und auf der Grundlage dieser Entscheidung erkannt, dass ein Unternehmer, der mit dem Wirtschaftsbetrieb einer Gemeinde im Wettbewerb steht, vom Finanzamt Auskunft darüber verlangen kann, ob die Umsätze des Gemeindebetriebs bei der Umsatzsteuerfestsetzung berücksichtigt worden sind. Ein solcher Auskunftsanspruch setzt allerdings voraus, dass der Unternehmer substantiiert und glaubhaft darlegt, durch die unzutreffende Besteuerung des Konkurrenten Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein "subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz" geltend machen zu können. Als Rechtsgrundlage für den von B geltend gemachten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Auskunftsbegehren sieht der BFH nicht die AO, die einen solchen Anspruch nicht regelt, sondern das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Auskunft darf nach Ansicht des BFH erteilt werden, wenn die Konkurrentenklage nicht offensichtlich unzulässig ist. Die Auskunftserteilung setzt nicht voraus, dass dem Antragsteller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen. – Im Streitfall erscheint zumindest möglich, dass B durch die Nichtbesteuerung der Umsätze des Gemeindekrematoriums in seinen Rechten verletzt wurde. Wie in der Vorabentscheidung des EuGH hierzu ausgeführt ist, kann sich ein Unternehmer, der mit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts in Wettbewerb steht und geltend macht, diese werde zu Unrecht nicht oder zu niedrig zur Umsatzsteuer herangezogen, auf die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 77/388/EWG) berufen und die betreffenden Umsatzsteuerfestsetzungen vor Gericht angreifen. Nach Ansicht des BFH kommt auch ernstlich in Betracht, dass B nach § 2 Abs. 3 UStG ein subjektives öffentliches Recht auf richtige Anwendung dieser Vorschrift gegenüber der Gemeinde hat. – Ob B den gegen die Gemeinde ergangenen Steuerbescheid letztlich zu Fall bringen kann, hat der BFH allerdings offengelassen; dies sei erst bei der Entscheidung über die von B beabsichtigte Konkurrentenklage abschließend zu prüfen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 5.10.2006, VII R 24/03