Leitsatz

  1. Die Finanzbehörden sind grundsätzlich berechtigt, von einer Rechtsanwaltskammer Auskünfte über für die Besteuerung erhebliche Sachverhalte eines Kammermitglieds einzuholen; die Vorschriften der Berufsordnung über die Verschwiegenheitspflicht des Kammervorstands stehen dem nicht entgegen.
  2. Ein solches Auskunftsersuchen ist auch im Vollstreckungsverfahren zulässig.
  3. Es ist nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar, wenn das Finanzamt für Zwecke der Zwangsvollstreckung eine Rechtsanwaltskammer zur Auskunft über die Bankverbindung eines Kammermitglieds auffordert, sofern diesbezügliche Aufklärungsbemühungen beim Vollstreckungsschuldner erfolglos waren.
 

Sachverhalt

Um neue Möglichkeiten zur Vollstreckung gegen einen säumigen Rechtsanwalt zu erschließen, nachdem bisherige Versuche erfolglos waren, begehrte das Finanzamt von der Rechtsanwaltskammer Auskunft darüber, von welchem Konto die Kammerbeiträge des Betreffenden überwiesen oder eingezogen werden. Die Kammer wollte darüber insbesondere mit Rücksicht auf ihr Verhältnis zu ihrem Mitglied keine Auskunft geben.

 

Entscheidung

Die Kammer ist als steuerschuldrechtlich unbeteiligte Dritte auskunftspflichtig. Die Auskunftspflicht besteht auch im Vollstreckungsverfahren, verschafft also dem Finanzamt Vollstreckungsmöglichkeiten, die kein anderer Gläubiger hat. Auch die kammerrechtliche Verschwiegenheitspflicht kann der (vorrangigen) Auskunftserteilung nicht entgegengehalten werden.

Das Auskunftsverlangen ist nicht ermessensfehlerhaft. Dass es sich bei der Kammer um eine Selbstverwaltungskörperschaft eines freien Berufs handelt, macht sie nicht schutzwürdiger als z.B. ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das in ähnlicher Weise auf eine ungestörte Vertrauensbeziehung zu seinen Kunden angewiesen ist.

 

Praxishinweis

Der BFH unterscheidet mit Recht zwischen der Frage, ob die Kammer überhaupt auskunftspflichtig ist, und der weiteren Frage, ob sich die Ermessensausübung des Finanzamts – das eine Auskunft verlangen darf, aber nicht muss – in den gesetzlichen Grenzen hält, insbesondere, ob das Finanzamt nichts Unverhältnismäßiges oder der Kammer Unzumutbares verlangt. Bei Letzterem ist der Prüfungsmaßstab freilich nicht eben "fiskuskritisch".

Ein Stromversorgungsunternehmen ist nach der Rechtsprechung des BFH ebenfalls grundsätzlich verpflichtet, die Bankverbindung seiner Kunden zu offenbaren, kann also vom Finanzamt gleichsam als Auskunftei herangezogen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 19.12.2006, VII R 46/05

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