Leitsatz

  1. Geht das Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter auf den verbleibenden Gesellschafter über, so sind für das Jahr des Formwechsels zwei Gewerbesteuermessbescheide, jeweils für die Zeit vor und nach dem Wechsel zu erlassen (Anschluss an Abschn. 35 Abs. 1 Satz 3 und 4 GewStR).
  2. In einem solchen Fall ist eine Prüfungsanordnung, die an die erloschene Personengesellschaft adressiert ist, nicht infolge Unbestimmtheit nichtig, wenn der das Geschäft als Einzelunternehmer fortführende Gesellschafter weiterhin unter der Firma der Gesellschaft auftritt und (andererseits) beim Finanzamt darauf hinweist, dass das Unternehmen ab dem Zeitpunkt des Formwechsels eine "Scheingesellschaft" darstellt.
 

Sachverhalt

Die Komplementärin der A-KG erhielt nach dem Tod der einzigen Kommanditistin deren KG-Anteil unentgeltlich von den Erben. Das Unternehmen führte weiterhin die Firma der KG und gab unter dieser Bezeichnung Steuererklärungen ab. Die Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre wurden im März 1993 sowie im August 1995 abgegeben. Das Finanzamt erließ entsprechende, im Erklärungsjahr zugestellte Gewerbesteuermessbescheide, adressiert an die Gesellschafterin "als Empfangsbevollmächtigte für Firma A KG". Am 3.11.1995 ordnete das Finanzamt eine Betriebsprüfung für die Streitjahre an. Die Prüfungsanordnung wies als Adressat die "Firma A KG" aus. Aufgrund der Prüfung erließ das Finanzamt am 16.4.1996 Änderungsbescheide, die wiederum an die Klägerin als Empfangsbevollmächtigte der KG adressiert waren. Ihre dagegen gerichtete Klage nahm die Klägerin zurück, nachdem das Finanzamt die Einspruchsentscheidungen wegen unrichtiger Bekanntgabe aufgehoben hatte. Am 5.7.2000 erließ das Finanzamt erneut Änderungsbescheide, die auf § 35b GewStG gestützt und an die Gesellschafterin als Rechtsnachfolgerin der KG adressiert waren. Die dagegen unter Hinweis auf den Ablauf der Festsetzungsfrist erhobene Klage wies das FG ab. Hiergegen richtet sich die Revision.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH stand dem Erlass der angefochtenen, materiell-rechtlich nicht zu beanstandenden Gewerbesteuermessbescheide vom 5.7.2000 nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung[1] entgegen. Es greift vielmehr die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO ein. Danach läuft die Festsetzungsfrist für Steuern, die Gegenstand einer Außenprüfung waren, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt zwar nur dann ein, wenn der Verwaltungsakt, mit dem die Prüfung angeordnet wurde, wirksam ist. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Insbesondere war die Prüfungsanordnung vom 3.11.1995 nicht nichtig, auch wenn sie an die KG gerichtet war. Mit dem Übergang des Vermögens einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter auf den verbleibenden Gesellschafter endet die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft. Steuerschuldner wird nun der verbleibende Gesellschafter als Einzelunternehmer auch für im Betrieb der Gesellschaft entstandene Steuern; an ihn sind die Gewerbesteuermessbescheide zu adressieren, für die Zeit vor dem Formwechsel mit dem Zusatz "als Rechtsnachfolger der Gesellschaft", für die Folgezeit ohne Zusatz. Für das Jahr des Formwechsels geht der BFH mit der Finanzverwaltung und der herrschenden Meinung davon aus, dass zwei Gewerbesteuermessbescheide jeweils für die Zeit vor und nach dem Wechsel zu erlassen sind[2]. Dementsprechend bedürfen auch das Jahr des Formwechsels betreffende Betriebsprüfungen des Erlasses zweier Prüfungsordnungen; sie können allerdings in einem Bescheid zusammengefasst werden.

Gleichwohl führt die Adressierung der Prüfungsanordnung an die (Schein-)KG im Streitfall nicht zur Nichtigkeit. Da die Gesellschafterin das Einzelunternehmen unter der Firma der KG weitergeführt hat, reicht die Angabe der fortgeführten Firma allein nicht aus, um den neuen Steuerschuldner eindeutig zu bezeichnen, ist aber als Bezeichnung des Inhaltsadressaten nicht eindeutig falsch, sondern – nach außen hin wegen des Auftritts als KG erkennbar[3] – mehrdeutig und deshalb auslegbar[4]. Bei dieser Auslegung kommt es entscheidend darauf an, wie die Betroffene selbst nach den ihr bekannten Umständen den materiellen Gehalt der mehrdeutig adressierten Prüfungsanordnung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte[5]. Auf dieser Grundlage war der Gesellschafterin der Regelungsinhalt der streitigen Prüfungsanordnung mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, weil sie selbst alle Steuererklärungen der Streitjahre unter dem Namen der KG abgegeben und darauf hingewiesen hatte, es handele sich bei der KG seit dem Ausscheiden der Kommanditistin um eine "Schein-KG".

 

Praxishinweis

Hätte die Klägerin das Unternehmen im Streitfall unter einer anderen Firma als der der KG fortgeführt, wäre die Prüfungsanordnung dagegen nichtig gewesen[6].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 13.10.2005, IV R 55/04

[1] Vgl...

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