Leitsatz
Erhebt der im Einspruchsverfahren hinzugezogene Elternteil Klage gegen die Übertragung des eigenen Kinderfreibetrags auf den anderen Elternteil, so ist dieser andere Elternteil notwendig beizuladen (Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 4.7.2001, VI B 301/98, BStBl II 2001, S.729).
Sachverhalt
Geschiedene Eltern einer Tochter streiten für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1995 darüber, ob ein Kinderfreibetrag wirksam übertragen wurde. Im Rahmen von Unterhaltsstreitigkeiten stellte der Anwalt des Vaters in zwei Schreiben vom Januar und Juni 1993 den Verzicht auf den dem Vater zustehenden Kinderfreibetrag in Aussicht, ohne aber – wie gefordert – die diesbezügliche Unterschrift auf der Anlage "K" zur Einkommensteuererklärung beizubringen. Gleichwohl berücksichtigte das für die Mutter zuständige Finanzamt aufgrund der beiden Schreiben bei ihrer Veranlagung auch den dem Vater zustehenden Freibetrag. Nachdem das Finanzamt erfahren hatte, dass für 1993 bis 1995 auch beim Vater ein Freibetrag gewährt worden war, änderte es die (vorläufigen) Bescheide der Mutter und ließ den auf den Vater entfallenden Freibetrag unberücksichtigt. Auf den Einspruch der Mutter zog das Finanzamt den Vater zum Verfahren hinzu. Das Finanzamt kam zum Ergebnis, der Vater habe seinen Freibetrag wirksam übertragen, weshalb es die Änderungsbescheide zugunsten der Mutter wieder aufhob. Hiergegen erhob der beigezogene Vater Klage. Das FG war der Ansicht, die Mutter müsse zur Klage des Vaters gegen ihre Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1993 bis 1995 nicht beigeladen werden und wies die Klage des Vaters in der Sache ab. Auf die Revision des Vaters stellte der BFH die Entscheidung in der Sache zurück und befand vorab, dass die Mutter zum Verfahren beigeladen werde.
Entscheidung
Eine notwendige Beiladung nach §60 Abs.3 Satz1 FGO erfolgt, wenn eine Entscheidung auch gegenüber einem Dritten nur einheitlich ergehen kann, weil sie seine Rechtsposition unmittelbar gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt. Die Beiladung bewirkt, dass der Dritte am Verfahren beteiligt wird und die rechtlichen Auswirkungen beeinflussen kann. Ein solcher Fall liegt hier vor: Die Klage des Vaters würde, wenn sie Erfolg hätte, zur Folge haben, dass die Änderungsbescheide zum Nachteil der Mutter rechtskräftig würden. Will die beigeladene Mutter im Revisionsverfahren Verfahrensmängel geltend machen, muss das binnen zwei Monaten nach Zustellung des Beiladungsbeschlusses geschehen, wobei die Frist verlängert werden kann. Das wird sie tun, wenn sie noch weitere Tatsachen in das Verfahren einführen will. Jedenfalls muss sie aber den Vertretungszwang vor dem BFH beachten.
Praxishinweis
Der BFH hat darauf hingewiesen, dass im Normalfall der Übertragung eines Kinderfreibetrags keine Beiladung notwendig ist. Das ist hier aber anders, weil der Vater nicht Kläger im Verfahren betreffend seine eigene Veranlagung war, sondern weil er Klage in einem fremden Verfahren – der Veranlagung der Mutter – erhoben hatte. Das musste er, weil er in deren Vorverfahren vom Finanzamt hinzugezogen worden war. Die Zuziehung hätte auch ihm gegenüber zur Folge gehabt, dass die Aufhebung der Änderungsbescheide als rechtmäßig anzusehen war, wenn er sich dagegen nicht wehrte.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 11.5.2005, VI R 38/02