1 Leitsätze

  1. Ein Rechtsstreit um die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Mitglieds aus einer Genossenschaft ist in der Regel vermögensrechtlicher Art.
  2. Der Streitwert im Rahmen eines anschließenden Rechtsstreits bemisst sich nach dem (wirtschaftlichen) Wert des von dem Ausschluss betroffenen Geschäftsanteils.

2 Sachverhalt

Im vorliegenden Rechtsstreit war der Kläger vom Vorstand als Mitglied seiner Genossenschaft ausgeschlossen worden. Der Aufsichtsrat hatte, nachdem der Kläger genossenschaftsintern gegen den Ausschluss Berufung eingelegt hatte, die Entscheidung des Vorstands bestätigt. Das anschließend vom Kläger angerufene Amtsgericht (AG) stellte fest, dass seine Mitgliedschaft bei der Genossenschaft als Beklagte nicht durch die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats beendet worden sei. Die daraufhin von der Genossenschaft beim Landgericht (LG) eingelegte Berufung gegen das Urteil des AG wurde bereits als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den notwendigen Betrag in Höhe von 600 EUR nicht übersteige. Gegen die Entscheidung des LG legte die Genossenschaft Rechtsbeschwerde ein.

3 Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten war erfolgreich. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss zur Begründung zunächst ausgeführt, dass die gegen den Ausschluss aus der eG erhobene Klage eine vermögensrechtliche Streitigkeit ist. Weil der Zweck der Genossenschaft – wie es sich auch aus der Satzung ergebe – wirtschaftlicher Natur sei, habe der Verlust der Mitgliedschaft aufgrund eines Ausschlusses für das betroffene Mitglied vermögensrechtliche Auswirkungen. Mit seiner Klage verfolge das ausgeschlossene Mitglied darum das Ziel, sich die wirtschaftlichen Vorteile seiner Mitgliedschaft zu erhalten.

Weiter hat der BGH darauf hingewiesen, dass es zwar für die Festsetzung des Werts des Beschwerdegegenstands auf das Interesse des Klägers am Erfolg des Rechtsmittels ankomme. Als Maßstab für die Bewertung des Interesses der Genossenschaft an der Aufrechterhaltung des Ausschlusses des Klägers habe das LG als Berufungsgericht auch – spiegelbildlich zu dem mit der Feststellungsklage des Klägers verfolgten Interesse am Fortbestehen seiner Mitgliedschaft – im Grundsatz zutreffend den Wert des von der Ausschließung betroffenen Geschäftsanteils des Klägers herangezogen. Nach Meinung des BGH war aber fehlerhaft, dass sich das LG bei der Bewertung des Genossenschaftsanteils des Klägers ausschließlich am Nennwert des Geschäftsanteils orientiert habe.

Zwar bemesse sich die sog. Beschwer – ebenso wie der Streitwert – bei einem Streit um den Ausschluss eines Mitglieds aus der Genossenschaft, sofern dieser, wie hier, vermögensrechtlicher Natur ist, in der Regel nach der Höhe des Geschäftsguthabens des ausgeschlossenen Mitglieds. Denn dieses spiegele zumeist den tatsächlichen Wert des Anteils des Ausgeschiedenen wider.

Nach Meinung des BGH war jedoch im vorliegenden Fall eine andere Bewertung deshalb geboten, weil sich ein höherer wirtschaftlicher Wert des Geschäftsanteils des Klägers ergebe. Schon allein im Hinblick auf die in der Bilanz der Genossenschaft für das Jahr 2007 ausgewiesenen Ergebnisrücklagen von mehr als 8 Mio. EUR übersteige der wirtschaftliche Wert des Anteils des Klägers sowohl den Nennwert seines Anteils als auch den Betrag seines Geschäftsguthabens (594 EUR) deutlich. Auch wenn das ausgeschiedene Genossenschaftsmitglied nach § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG grundsätzlich keinen Anspruch auf Beteiligung an den Rücklagen habe – es sei denn, dass die Satzung einen solchen Anspruch ausdrücklich vorsieht (§ 73 Abs. 3 GenG) – ändere dies nach Auffassung des BGH nichts daran, dass ein Mitglied jedenfalls während seiner Mitgliedschaft, um deren Fortbestehen die Parteien streiten, an diesem Wert beteiligt sei.

Nach Auffassung des Gerichts war die Berufungssumme zudem aber auch wegen des zur Ausschüttung im Jahr 2008 vorgesehenen Bilanzgewinns des Jahres 2007 erreicht.

Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es sich nunmehr im Rahmen der Begründetheit des Rechtsmittels mit der Frage der Wirksamkeit des Ausschlusses des Klägers befassen konnte.

4 Auswirkungen der Entscheidung für die Wohnungsunternehmen/Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH eröffnet in vergleichbaren Fällen, in denen erstinstanzlich über den Ausschluss eines Mitglieds entschieden worden ist, die Möglichkeit, ggf. in einer weiteren Instanz die gerichtliche Entscheidung überprüfen zu lassen. Zu den Einzelheiten, die im Rahmen des Ausschlusses eines Mitglieds aus der Genossenschaft zu beachten sind – gerade im Hinblick auf einen evtl. späteren Rechtsstreit - s. Schlüter/Luserke/Roth, Handbuch für Wohnungsgenossenschaften, S. 63 ff., vor allem zu den "Verfahrensfragen zum Ausschließungsverfahren" S. 69 ff.). Die Entscheidungsbesprechung "Ruhen des Vertreteramts nach Ausschluss aus der eG" behandelt eine Besonderheit bei Genossenschaften mit einer Vertreterversammlung.

BGH, Beschluss v. 27.4.2009, II ZB 16/08

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