Leitsatz
Der Ausschlusstatbestand des § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG greift ein, wenn Veräußerer und Erwerber der Wohnung im Zeitpunkt der Anschaffung miteinander verheiratet waren. "Zeitpunkt der Anschaffung" in diesem Sinne ist der Moment, in dem das wirtschaftliche Eigentum an der Wohnung auf den Erwerber übergeht. Der Wechsel des wirtschaftlichen Eigentums vollzieht sich in aller Regel dadurch, dass Eigenbesitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Käufer (Erwerber) übergehen.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtigen sind seit dem 10.12.1993 miteinander verheiratet und werden für die Streitjahre 1994 und 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Noch vor der Eheschließung verkaufte die (spätere) Ehefrau ihrem (künftigen) Mann mit notariellem Vertrag vom 16.11.1993 das von beiden eigengenutzte Wohngrundstück. Nach der dort getroffenen Vereinbarung sollten Besitz, Gefahr, Lasten und Nutzen mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises auf den Käufer übergehen. Der Ehemann zahlte den Restkaufpreis am 21.1.1994.
In ihren Einkommensteuererklärungen 1994 und 1995 begehrten die Steuerpflichtigen, dem Ehemann die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG zu gewähren. Das Finanzamt versagte diese unter Hinweis auf den Ausschlusstatbestand des § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG. Klage und Revision blieben erfolglos.
Entscheidung
Nach § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG ist die Steuervergünstigung ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung vom Ehegatten anschafft und bei den Ehegatten die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung vorliegen. Dieser Ausschlusstatbestand liegt im Streitfall vor. Der Ehemann hat das wirtschaftliche Eigentum an dem Wohngrundstück erst zu einem Zeitpunkt erworben, als die Steuerpflichtigen bereits verheiratet waren. Er zahlte den Restkaufpreis an seine Ehefrau im Januar 1994. Die Zahlung des Restkaufpreises war nach dem Kaufvertrag die Voraussetzung dafür, dass Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen und damit das wirtschaftliche Eigentum auf den Käufer übergingen.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG bestehen nicht.
Praxishinweis
Das Besprechungsurteil liegt auf der Linie der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BFH,wonach der Übergang deswirtschaftlichen Eigentums an einem Grundstück im Falle seines Verkaufs regelmäßig erfordert, dass Besitz, Gefahr, Lasten und Nutzungen auf den Käufer übergehen. Diese Grundsätze gelten auch im Bereich des § 10e EStG und finden m. E. auch im Rahmen des EigZulG Anwendung. Entgegen der von den Steuerpflichtigen im Besprechungsfall vertretenen Ansicht wurde der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums durch den Ehemann nicht schon dadurch herbei geführt, dass das Grundstück bereits vor der Hochzeit an den Ehemann verkauft und aufgelassen wurde und dass der Ehemann die Möglichkeit gehabt hätte, den Restkaufpreis bereits vor der Eheschließung zu bezahlen.
Anders wäre der Fall m. E. dann zu beurteilen, wenn der Ehemann die zuletzt genannte Möglichkeit tatsächlich genutzt hätte. Unsicher und deshalb nicht empfehlenswert zur Vermeidung des Ausschlusstatbestands des § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG (§ 2 Abs. 1 Satz 3 EigZulG) ist es m. E., im Kaufvertrag zu vereinbaren, dass Besitz, Gefahr, Lasten und Nutzungen bereits vor der vollständigen Zahlung des Kaufpreises auf den erwerbenden Ehegatten übergehen sollen. Denn eine solche Regelung begegnet Bedenken hinsichtlich der – bei der Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen stets zu beachtenden – Drittüblichkeit.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 04.06.2003, X R 49/01