Leitsatz (amtlich)

Eine in organschaftlicher Zeit gebildete und aufgelöste Kapitalrücklage kann an die Gesellschafter ausgeschüttet werden ("Leg-ein-Hol-zurück"); sie unterliegt nicht der Gewinnabführung (gegen BMF-Schreiben vom 11.10.1990, IV B 7 - S 2270 - 21/90, DB 1990, S. 2142).

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, schloss im Streitjahr 1991 mit ihrer Alleingesellschafterin, ebenfalls einer GmbH (B-GmbH), auf unbestimmte Zeit einen Ergebnisabführungsvertrag. Der betreffende Gesellschafterbeschluss blieb notariell unbeurkundet, ebenso wenig wurde das Bestehen des Ergebnisabführungsvertrags in das Handelsregister eingetragen. Der Ergebnisabführungsvertrag wurde zum 31.12.1992 beendet. Das Finanzamt erkannte das Organschaftsverhältnis steuerlich an. Die B-GmbH leistete im Streitjahr an die Klägerin eine Gesellschaftereinlage von 860 114 DM und beschloss anschließend am 31.12. 1991 außerhalb des Ergebnisabführungsvertrags die Ausschüttung dieser Einlage zuzüglich des darauf entfallenden KSt-Guthabens von 314163 DM, insgesamt von 1 174277 DM. Die Klägerin wies ihren Überschuss für dieses Jahr einschließlich Rücklagenveränderung in entsprechender Höhe mit 1 174 277 DM aus und korrigierte diesen anschließend außerhalb der Steuerbilanz um die KSt in Höhe des Minderungsbetrages von ./. 329783 DM. Die Gesellschaftereinlage wurde als sonstige steuerfreie Einlage dargestellt und als Einkommensminderung behandelt. Das Finanzamt folgte dem nicht. Es ging davon aus, dass es sich bei der in vertraglicher Zeit geleisteten Gesellschaftereinlage um eine Kapitalrücklage i.S. des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB handele, die bei einer späteren Auflösung den nach § 291 Abs. 1 AktG an den Organträger abzuführenden Gewinn erhöhe[1]. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt[2]. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

  1. Der Senat geht für den Streitfall ebenso wie das FG vom Vorliegen einer körper-schaftsteuerrechtlichen Organschaft zwischen der Klägerin und der B-GmbH aus, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind. Das Finanzamt ist von diesen Voraussetzungen jedoch zugunsten der Klägerin abgewichen[3]. Der darin liegende Billigkeitserweis gemäß § 163 AO ist für den Senat als verbindlich hinzunehmen.
  2. Auf der Grundlage der steuerrechtlich anzuerkennenden Organschaft ist der Auffassung des FG beizupflichten, die Auflösung der Kapitalrücklage, die die Klägerin als Organgesellschaft während des Bestehens des Organschaftsverhältnisses aus freiwilligen Zuzahlungen ihrer Alleingesellschafterin gebildet hat, könne an den Organträger ausgeschüttet und müsse nicht an diesen abgeführt werden. Sie widerspricht nicht den Voraussetzungen der §§ 14ff. KStG.

Im Streitfall wurden Gewinnrücklagen nicht gebildet und mussten folglich nicht aufgelöst und abgeführt werden. Gebildet und aufgelöst wurde lediglich die Kapitalrücklage i.S. von § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, in die ihre Alleingesellschafterin während des Organschaftsverhältnisses Einlagen einstellte, um im Wege einer Ausschüttung bei der Klägerin noch vorhandene Bestände steuerbelasteten Eigenkapitals[4] zu "mobilisieren" (sog. Leg-ein-Hol-zu-rück-Verfahren). Ob diese Rücklage indes einer Gewinnrücklage, die während des Organschaftsverhältnisses gebildet wurde und die deswegen vom organschaftlichen Abführungsgebot erfasst wird, gleichzustellen ist, ist umstritten.

Der Senat hält den Gesetzeswortlaut für eindeutig: Der Jahresüberschuss markiert die Obergrenze der Gewinnabführung in grundsätzlich abschließender Weise. Offene Rücklagen gehören dazu nicht, weil durch sie der Jahresüberschuss nicht erhöht wird. § 275 Abs. 4 HGB bestimmt ausdrücklich, dass Rücklagenauflösungen erst nach der Position "Jahresüberschuss"[5] auszuweisen sind. Unterfallen Rücklagenauflösungen damit einem Abführungsverbot, so macht § 301 Satz 2 AktG davon zwar eine Ausnahme für den Fall, dass Beträge während der Dauer des Ergebnisabführungsvertrages in andere Gewinnrücklagen eingestellt worden sind.

Das Gesetz will hierdurch einen Anreiz geben, nicht alle in der Vertragszeit angefallenen Gewinne abzuführen, diese vielmehr auch in Rücklagen zu speichern. Diese Ausnahme besteht jedoch ausdrücklich "nur" für Gewinnrücklagen. Für Zuführungen zur Kapitalrücklage ist sie unbeachtlich. Sie lässt sich weder im Wege einer sog. teleologischen Reduktion noch einer Analogie auf Kapitalrücklagen übertragen. Dagegen sprechen neben dem klaren Gesetzeswortlaut sowohl die Entwicklung als auch der Sinn und Zweck der Regelung.

Trotz des Abführungsverbots, dem rückgeführte Kapitalrücklagen unterworfen sind, erhöhen die Beträge aus der Rücklagenauflösung allerdings den Bilanzgewinn, über den die Gesellschafter im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften[6] uneingeschränkt verfügen können. Das bezieht insbesondere die Möglichkeit ein, die nämlichen Beträge auszuschütten. Der Ergebnisabführungsvertrag hindert einen derartigen Beschluss grundsätzlich nichtund bewirkt keine ausnahmslose Ausschüttungssperre. Gewinnaussch...

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