Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Zu außerordentlichen Einkünften führen nur solche Entschädigungen, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen führt.
Sachverhalt
K und sein Arbeitgeber schlossen 2005 einen Aufhebungsvertrag. Danach sollte K 77.788 EUR Abfindung erhalten, davon 10.000 EUR in 2005, den Rest in 2006. In 2006 bezog K 70.664 EUR Bruttoentgelte, darunter die Entschädigung von 67.788 EUR. Er begehrte vergeblich den begünstigenden Steuersatz. Seine Klage hatte Erfolg. Das FG sah die Teilleistung 2005 – nach Abzug des nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfreien Teils – als für die Zusammenballung unerheblich an.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG. Soweit die Teilleistung in 2005 i.H.v. 7.200 EUR steuerfrei ist, bleibt sie bei der Prüfung der Ausnahmesituation außer Betracht, da sie keine Progressionsbelastung bewirkt. Für den Rest (2.800 EUR) bewirkt die Teilleistung (Bruttoarbeitslohn 2005: 42.000 EUR; Hauptentschädigung: 67.788 EUR) keine bedeutsame Progressionsverschiebung, die geeignet wäre, die Ausnahmesituation des K hinsichtlich seiner Progressionsbelastung in 2006 zu beeinflussen.
Hinweis
Bei Teilleistungen auf Entschädigungen ist stets zu fragen, ob es sich um außerordentliche Einkünfte i.S.v. § 34 EStG handelt.
Eine Entschädigung führt nicht automatisch zu außerordentlichen Einkünften, sondern grundsätzlich nur dann, wenn die Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und deren Zusammenballung eine erhöhte steuerliche Belastung auslöst. Keine Zusammenballung liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen gezahlt wird. Gleichwohl ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Der begünstigende Steuersatz ist trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Leistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag gezahlt wird.
Außerordentliche Einkünfte sind solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer im Vergleich zur regelmäßigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führt. Diese zu mildern ist Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG. Demgemäß sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung führt.
Eine solche Ausnahmesituation liegt zwar typischerweise nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt – indes kann eine nur geringfügige Teilleistung in dem dem Zuflussjahr der Hauptentschädigung vorangegangenen Veranlagungszeitraum dieser Ausnahmesituation mit ihrem Bedarf nach Progressionsmilderung entsprechen.
Link zur Entscheidung
BFH, 26.1.2011, IX R 20/10.