1 Leitsätze
- Für die Kenntnis der Tatsachen, die für die außerordentliche Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags maßgebend sind und deren Kenntnis die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB in Lauf setzt, kommt es auf den Wissensstand des Gremiums der Gesellschaft an, das zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufen und bereit ist.
- Die Befugnis, den Anstellungsvertrag zu kündigen, kann sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch durch die Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden.
- "Kenntnis" im o.g. Sinn liegt dann vor, wenn alles in Erfahrung gebracht worden ist, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über Fortbestand oder Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist. Kennenmüssen oder grobfahrlässige Unkenntnis genügt dagegen hierfür nicht.
2 Sachverhalt
Der Kläger im vorliegenden Fall war Geschäftsführer der Beklagten, einer GmbH (Tochtergesellschaft). Alleinige Gesellschafterin der Beklagten war eine weitere GmbH (Muttergesellschaft), deren alleinige Gesellschafterin eine Stadtsparkasse war.
Die Muttergesellschaft als Alleingesellschafterin der Beklagten beschloss die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten und die fristlose Kündigung des Dienstvertrags des Klägers aus wichtigem Grund.
Der Kläger hatte beantragt, die Unwirksamkeit der Kündigung festzustellen. Das LG Düsseldorf wies die Klage ab. Die vom Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung beim OLG Düsseldorf war dagegen erfolgreich. Die anschließend von der Beklagten eingelegte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) führte schließlich zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das OLG.
3 Entscheidung
Der BGH hat in seiner Urteilsbegründung zunächst ausgeführt, dass nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 626 Abs. 2 BGB) die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags eines Geschäftsführers nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen kann. Für die Kenntnis der Tatsachen, die die Zweiwochenfrist in Lauf setzen, kommt es dabei nach der Rechtsprechung des BGH allein auf den Wissensstand des Gremiums der Gesellschaft an, das zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufen und bereit ist. Bei einer GmbH ist grundsätzlich für eine solche Kündigung die Gesellschafterversammlung zuständig (§ 46 Nr. 5 GmbHG analog). Hat die GmbH nur einen Gesellschafter, so kommt es auf dessen Kenntnis bzw. die Kenntnis des organschaftlichen Vertreters des Alleingesellschafters an. Dieser könne dann jederzeit eine Universalversammlung (§ 51 Abs. 3 GmbHG) abhalten und damit eine Kündigung auch ohne Einberufung einer förmlichen Gesellschafterversammlung aussprechen.
Das Gericht hat in seiner Urteilsbegründung weiter darauf hingewiesen, dass allerdings die Befugnis, den Anstellungsvertrag zu kündigen, entgegen der Auffassung des OLG Düsseldorf als Berufungsgericht, sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch durch die Gesellschafter auch auf andere Personen übertragen werden kann. Davon habe die Alleingesellschafterin hier Gebrauch gemacht und ein Vorstandsmitglied der Stadtsparkasse bevollmächtigt, die Muttergesellschaft in allen Angelegenheiten betreffend die Beklagte zu vertreten und insbesondere Anstellungsverträge mit Geschäftsführern zu beenden. Die Bevollmächtigung eines Vorstandsmitglieds der Muttergesellschaft führe aber nicht dazu, dass für den Beginn der Kündigungserklärungsfrist allein die Kenntnis dieser Person maßgebend ist. Durch die Bevollmächtigung wird daher in solchen Fällen die Befugnis der Geschäftsführer, für die Alleingesellschafterin zu handeln und den Beschluss über die Beendigung des Anstellungsvertrags zu fassen, nicht verdrängt. Immerhin hätten die Geschäftsführer ausweislich des Protokolls der Gesellschafterversammlung den der Kündigung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschluss gefasst und das Kündigungsschreiben unterzeichnet.
Wenn also die Geschäftsführer der Muttergesellschaft darüber hinaus vor einer Beschlussfassung über die Beendigung des Anstellungsvertrags mit dem Kläger die Zustimmung der Gesellschafterin, also der Stadtsparkasse D., einholen mussten, begann nach Ansicht des BGH zwar die zweiwöchige Erklärungsfrist erst nach Eingang der Zustimmung zu laufen. In diesem Fall war allerdings die Kündigungsmöglichkeit verwirkt, wenn die Geschäftsführer der Muttergesellschaft sich nach Kenntniserlangung nicht unverzüglich um die Zustimmung als Voraussetzung einer Beschlussfassung bemühten. Wenn die Einberufung der Gesellschafterversammlung von den einberufungsberechtigten Mitgliedern unangemessen verzögert wird, muss sich nach der Rechtsprechung des BGH die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre die Gesellschafterversammlung mit der zumutbaren Beschleunigung einberufen worden. Dieser Grundsatz gelte auch, wenn der Beschlussfassung ein anderes überwindbares Hindernis wie die Zustimmung der Gesellschafter-Gesellschafterin entgegensteht.
Nach Ansicht des Gerichts liegt eine sichere und umfassende Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen aber erst dann vor, wenn alles in Erfahrung gebrach...