Leitsatz
- Das Veranlagungswahlrecht darf zwar bis zur Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung auch während eines Einspruchs- und Klageverfahrens abweichend ausgeübt werden. Wegen der Verschiedenartigkeit der Veranlagungsarten hat das Finanzamt jedoch stets ein eigenständiges Veranlagungsverfahren durchzuführen.
- Wird eine Klage auf Anfechtung eines Zusammenveranlagungsbescheids geändert in eine Klage auf Verpflichtung des Finanzamts zur Durchführung einer getrennten Veranlagung, ist die Klageänderung nur zulässig, wenn neben den Voraussetzungen des § 67 FGO die Sachentscheidungsvoraussetzungen für das Verpflichtungsbegehren erfüllt sind. Dazu gehört insbesondere, dass die Verwaltung zuvor die beantragte Veranlagung durch Bescheid abgelehnt hat oder der Kläger bei Untätigkeit der Behörde einen sog. Untätigkeitseinspruch eingelegt hat.
Sachverhalt
Die Eheleute hatten für das Streitjahr 1988 zunächst die Zusammenveranlagung gewählt. Nach antragsgemäßer Veranlagung und einem danach ebenfalls auf Basis der Zusammenveranlagung ergangenen Änderungsbescheid erhoben sie Einspruch und Klage, womit sie zunächst nur materielle Fehler geltend machten. Im Klageverfahren beantragten sie später in erster Linie die Durchführung getrennter Veranlagungen und nur noch hilfsweise die Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben und Werbungskosten. Das FG gab der Klage im Hauptantrag statt und verpflichtete das Finanzamt, die Eheleute für das Streitjahr getrennt zu veranlagen.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf. Das FG hätte über das geänderte Klagebegehren, das Finanzamt zu getrennten Veranlagungen zu verpflichten, nicht entscheiden dürfen. Denn die Sachentscheidungsvoraussetzungen für eine Verpflichtungsklage waren nicht gegeben. Es fehlte insoweit an der Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens, da die Eheleute erst im Klageverfahren, d.h. nach Ergehen der Einspruchsentscheidung über den Zusammenveranlagungs-Änderungsbescheid, die Durchführung getrennter Veranlagungen begehrt hatten.
Die Voraussetzungen für das Übergehen des Einspruchsverfahrens im Wege einer Sprungverpflichtungsklage lagen nicht vor, da das Finanzamt keinen Ablehnungsbescheid hinsichtlich des Antrags auf getrennte Veranlagungen erlassen hatte. Auch für eine Untätigkeitsklage lagen die Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht vor. Dies hätte einen sog. Untätigkeitseinspruch vorausgesetzt, an dem es hier fehlte. Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen. Da es an ausreichenden Feststellungen zu den von den Eheleuten geltend gemachten weiteren Abzugsbeträgen fehlte, konnte der BFH auch über den Hilfsantrag nicht entscheiden.
Praxishinweis
Die Entscheidung geht von der ständigen Rechtsprechung aus, wonach das Veranlagungswahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit eines Bescheids, hier des Änderungsbescheids, ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG widerrufen werden kann, sofern der Änderungsantrag nicht rechtsmissbräuchlich oder willkürlich gestellt wird. Die Zulässigkeit einer Änderung besagt aber nichts über die Zulässigkeit einer Antragsänderung im anhängigen finanzgerichtlichen Verfahren. Bei einem Verpflichtungsbegehren, wie es hier vorliegt, ist eine solche Klageänderung nur zulässig, wenn das Vorverfahren ganz oder zum Teil erfolglos abgeschlossen ist, es sei denn, die Voraussetzungen einer Sprungklage oder Untätigkeitsklage lägen vor. Das FG hat daher das Verfahren auszusetzen, bis das Finanzamt über die bisher nicht beschiedenen Anträge auf getrennte Veranlagung entschieden hat. Den Eheleuten bleibt es unbenommen, wegen der bisherigen Untätigkeit des Finanzamts Untätigkeitseinspruch einzulegen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 19.5.2004, III R 18/02