Leitsatz
Im Falle der Änderung einer Steuerfestsetzung knüpft die Zinsberechnung gemäß § 233a Abs. 5 Sätze 1 und 2 AO 1977 an den Unterschiedsbetrag zwischen der nunmehr festgesetzten und der vorher festgesetzten Steuer an. Sie sieht keine hilfsweisen Nebenberechnungen zur Ermittlung einer von der festgesetzten Steuer abweichenden fiktiven Steuer und der danach zu berechnenden Zinsen vor.
Problematik
Das Unternehmen U - die Klägerin - erwarb 1992 eine OHG bei gleichzeitiger Übernahme der Gesellschafts- und Geschäftsanteile. Erst im Februar 1995 erzielten die Beteiligten Einigkeit über den Kaufpreis und darüber, dass die Verkäufer auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG für die Anteils-Umsätze verzichten und dementsprechend Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilen sollten. Die Rechnungen gingen im März 1995 beim Unternehmen U ein.
Das Finanzamt erließ zunächst antragsgemäß einen Umsatzsteuer-Bescheid für 1992 mit einem (zusätzlichen) Vorsteuerabzug nach und setzte zu Gunsten der Klägerin Erstattungszinsen in Höhe von 156.338 DM fest.
Nach einer Prüfung gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass die Vorsteuerbeträge erst im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung für 1995 – nach Erhalt der Rechnungen – berücksichtigt werden durften. Es änderte die bisherige Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 entsprechend und setzte gleichzeitig in diesem Bescheid Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) fest.
Die Klage gegen die Zinsfestsetzung hatte Erfolg, weil das Finanzgericht "Entstehung der Steuer" i. S. v. § 233a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 AO so auslegte, dass es nicht erst auf die Ausübung (hier 1995), sondern auf die des Rechts auf Vorsteuerabzug (hier 1992) abstellte. Das Finanzamt legte Revision ein, der das Bundesministerium der Finanzen (BMF) beitrat.
Entscheidung des BFH
Der BFH hob das Finanzgerichts-Urteil auf und bestätigte das Finanzamt. Da der Vorsteuerabzug erst nach Erhalt der Rechnung mit Steuerausweis möglich ist (Ausübungsvoraussetzung, dazu jetzt EuGH, Urt. v. 29.4.2004), war er also erst in der Steuerfestsetzung für 1995 zu berücksichtigen.
Auch bei der Zinsberechnung nach § 233a AO kann nicht auf die "bloße" Entstehung des Abzugsrechts mit dem Leistungsbezug (hier 1992) abgestellt werden, wie das Finanzgericht es in seiner Berechnung getan hatte.
Konsequenzen für die Praxis
Der EuGH hatte mit Urteil v. 29.4.2004 (s. o.) entschieden, dass Entstehung und Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts auseinander fallen können und dass die Ausübung (nachdem die Rechnung vorliegt) nicht auf die Entstehung des Rechts bei Leistungsbezug (ggf. in einem vorangegangenen Besteuerungszeitraum) zurückwirkt. Dem entspricht auch die Neufassung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG seit 1.1.2004.
Das vorliegende Urteil macht eine negative Folge dieser gemeinschaftsrechtlichen Auslegung deutlich, die für das UStG bindend ist. Für den Beginn des Fristlaufs bei Nachzahlungszinsen stellt § 233a AO zwar auf die Entstehung der Steuer ab. "Steuer" bei der Jahres-Umsatzsteuer ist gem. § 16 UStG der Saldo der im Besteuerungszeitraum entstandenen Steuer und der in diesen Besteuerungszeitraum fallenden Vorsteuerbeträge. In den Besteuerungszeitraum 1992 fielen als abziehbare Vorsteuerbeträge nur die 1992 mit Steuerausweis abgerechneten Beträge.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 15.7.2004, V R 76/01, BFH/NV 2004 S. 1682.