Leitsatz

  1. Eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG liegt nicht vor, wenn sich einem Steuerpflichtigen überhaupt erst nach Einreichung der Bilanz die Möglichkeit eröffnet hatte, erstmalig sein Wahlrecht, hier i.S. des § 6b Abs. 1 oder Abs. 3 EStG, auszuüben (Anschluss an Senatsbeschluss vom 25.1.2006, IV R 14/04, BStBl II 2006, S. 418 = INF 2006, S. 281).
  2. Beruhte die bisher fehlende Ausübung des Wahlrechts jedoch auf einem zumindest fahrlässigen Verhalten, z.B. dem Nichterfassen des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns, so ist der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG grundsätzlich eröffnet.
  3. Der Umfang der Bilanzänderung ist auf den Gewinnanteil beschränkt, der sich im jeweiligen Wirtschaftsjahr aus der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ergibt.
 

Sachverhalt

Ein bilanzierender Landwirt ermittelte seinen Gewinn in den Streitjahren 1995 und 1996 für vom 1.7. bis 30.6. laufende Wirtschaftsjahre. Im April 1995 veräußerte er eine Restfläche seines Betriebs. Der Kaufpreis floss im Mai 1995 auf sein Privatkonto. Der Vorgang wurde buchmäßig nicht erfasst, sondern der veräußerte Grund und Boden weiterhin aktiviert. Besitz, Nutzen und Lasten gingen zum 1.7.1995 über. Im Wirtschaftsjahr 1995/96 erwarb der Landwirt einen neuen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Vorbehalt der Nachprüfung fest. Nach einer Betriebsprüfung änderte es die Einkommensteuerfestsetzung unter Berücksichtigung des Gewinns aus der Übertragung der Restfläche. Einen im Verlauf der Betriebsprüfung gestellten Antrag auf Bildung einer 6b-Rücklage für das Wirtschaftsjahr 1995/96 lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 ab. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt.

 

Entscheidung

Auch der BFH bejaht die Voraussetzungen einer Bilanzänderung im Wirtschaftsjahr 1995/96. Von diesen Voraussetzungen ist das Wahlrecht nach § 6b Abs. 1 oder Abs. 3 Satz 1 EStG allerdings nicht abhängig, wenn sich die Möglichkeit seiner Ausübung erst nach Einreichung der Bilanz ergibt[1]. Darauf kommt es aber dann an, wenn die unterlassene Ausübung des Wahlrechts – wie hier – auf einen Buchungsfehler infolge der privaten Vereinnahmung des Veräußerungserlöses zurückzuführen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Fehlbuchung auf unzureichenden Angaben des Steuerpflichtigen oder auf unzutreffender sachlicher Behandlung durch den Steuerberater beruht[2].

Unter Bezugnahme auf die Verwaltungsauffassung[3] geht der BFH davon aus, dass ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen einer Bilanzberichtigung und einer Bilanzänderung jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn sich die Maßnahmen auf dieselbe Bilanz beziehen und die Änderung der Bilanz unverzüglich nach einer Bilanzberichtigung begehrt wird. Dabei sind der Nichtausweis der sonstigen Verbindlichkeit aufgrund der Zahlung des Kaufpreises für den Grund und Boden im Mai 1995 und die Minderung des Kapitals für das Wirtschaftsjahr 1994/95 in der Schlussbilanz zum 30.6.1995 erfolgsneutral zu berichtigen. Denn eine Verbindlichkeit gehört auch dann zum Betriebsvermögen, wenn sie entgegen steuerrechtlicher Vorschriften nicht in der Bilanz ausgewiesen wurde. Da sich die Nichtberücksichtigung noch nicht ausgewirkt hatte, ist die Verbindlichkeit unter Wahrung des Bilanzenzusammenhangs in der Schlussbilanz zum 30.6.1995 zu passivieren[4]. Entsprechend ist das Kapital wegen der Privatentnahme des Landwirts durch Vereinnahmung des Kaufpreises zu mindern und entsprechend der Berichtigung der Schlussbilanz des Wirtschaftsjahrs 1994/95 zum 30.6.1995 auch die Anfangsbilanz für das Wirtschaftsjahr 1995/96 zum 1.7.1995 zu berichtigen. Die Berichtigung in § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst jede Steuerbilanz, die für die Besteuerung von Bedeutung ist. Mit Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten am 1.7.1995 verminderte sich folglich der Bilanzposten sonstige Verbindlichkeiten um den Kaufpreis. Ebenso verminderte sich der Bilanzposten Grund und Boden um den auszubuchenden Buchwert des veräußerten Betriebsgrundstücks. In Höhe der Differenz der Beträge erzielte der Kläger im Wirtschaftsjahr 1995/96 einen Gewinn.

 

Praxishinweis

Auf den im Jahr 2000 während der Betriebsprüfung beim Finanzamt gestellten Antrag auf Bilanzänderung ist § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG anwendbar[5]. Lehnt das Finanzamt eine derartige Bilanzänderung ab, so ist der Steuerpflichtige nicht verpflichtet, mit der Beantragung der Bilanzänderung auch eine geänderte bzw. berichtigte Bilanz einzureichen, wenn er Streitfragen zu den Voraussetzungen der Bilanzberichtigung zunächst gerichtlich klären lässt[6]. Wird nämlich die Bilanzberichtigung durch das Urteil bestätigt, so bewirkt die gestaltende Wirkung des Urteils die Berichtigung der Bilanz. Gleiches gilt für die Bilanzänderung.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 27.9.2006, IV R 7/06

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