Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Ein weiträumiges Arbeitsgebiet ohne jede ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, wie z.B. ein ausgedehntes Waldgebiet, ist keine regelmäßige Arbeitsstätte.
Sachverhalt
K war als Arbeiter bei einem Forstamt beschäftigt, das ein in 11 Reviere aufgeteiltes Waldgebiet mit etwa 400 qkm umfasste. Soweit möglich wurde K wohnungsnah eingesetzt. Die Einsatzplanung erfolgte stets kurzfristig mit Vorlaufzeiten von 1–2 Tagen. Die Einsatzorte waren u.a. wegen Witterungsumständen unvorhersehbar. K bewahrte die Arbeitsmittel zu Hause auf und fuhr von dort mit seinem Pkw direkt zu den Einsatzstellen. Er machte Fahrtkosten und Mehraufwand für Verpflegung wegen Einsatzwechseltätigkeit an 222 Tagen geltend. Das Finanzamt nahm Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte an und berücksichtigte keinen Verpflegungsmehraufwand. Die Klage blieb erfolglos. Der BFH hob die Vorentscheidung auf. Das FG muss nun prüfen, ob die Einsatzwechseltätigkeit an 222 Tagen gegeben war.
Entscheidung
Regelmäßige Arbeitsstätte ist jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern fortdauernd und immer wieder aufsucht. Wesentlich ist, dass der Arbeitnehmer sich auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken kann. Nur für diesen Grundtyp gilt die abzugsbegrenzende Regelung als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip. Kontrastfall dazu ist die Auswärtstätigkeit. Wer vorübergehend von Wohnung und Tätigkeitsmittelpunkt entfernt arbeitet oder nicht über einen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt für seine berufliche Tätigkeit verfügt, hat keine regelmäßige Arbeitsstätte.
Damit war auch das 400 qkm große Waldgebiet keine regelmäßige Arbeitsstätte. Denn der irgendwo im Wald gelegene täglich wechselnde Tätigkeitsort war nicht ortsfest. Weil der Arbeitgeber im Wald auch keine betriebliche Einrichtung vorgehalten hatte, konnte das Waldgebiet auch nicht als großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte gelten. Eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitge-bers setzt eine Einrichtung voraus, die nach ihrer Infrastruktur mit der an einem Betriebssitz vergleichbar ist. Nur dann kann ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet "regelmäßige Arbeitsstätte" und "Tätigkeitsmittelpunkt" sein. Diese beiden Begriffe stellt der BFH zur Vereinfachung und aus Gründen der Folgerichtigkeit gleich; daher hatte K grundsätzlich auch Anspruch auf Abzug von Verpflegungsmehraufwand.
Link zur Entscheidung
BFH, 17.06.2010, VI R 20/09.