Streit um Wurzelbeseitigung
Im zu entscheidenden Fall stritten Grundstücksnachbarn über das Recht zur Beseitigung der von dem einen auf das andere Grundstück hinüber gewachsenen Baumwurzeln. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich grenznah zum Grundstück des beklagten Nachbarn eine Baumreihe von Fichten, die seit ihrer Anpflanzung inzwischen eine durchschnittliche Höhe von ca. 16 Metern erreicht haben. Mit seiner Klage wollte der Baumeigentümer seinen Nachbarn daran hindern, die auf sein Grundstück hinüber gewachsenen Baumwurzeln zu entfernen, um im überwurzelten Grenzbereich dessen Grundstücks einen Ziergarten anlegen zu können.
Was sagt das Gericht?
Das OLG Karlsruhe hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts kann die Klage nicht auf einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB gestützt werden.
Selbsthilferecht
Vielmehr ist der Kläger gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung der Entfernung der Wurzeln durch den beklagten Nachbar verpflichtet, denn diesem steht ein Selbsthilferecht gemäß § 24 Abs. 2 NRG BW zu. Die Vorschrift des § 24 NRG BW trifft nach Auffassung des Gerichts eine gegenüber § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB vorrangige Regelung. Im zu entscheidenden Fall setzt das Selbsthilferecht gemäß § 24 Abs. 2 NRG BW bei einem Grundstück in Innerortslage voraus, dass durch die eingedrungenen Wurzeln die Nutzung des betroffenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird. Dies ist gemäß § 24 Abs. 2 NRG BW vor allen in den in § 24 Abs. 1 NRG BW genannten Fällen zu bejahen, also wenn die Beseitigung der Wurzeln zur Herstellung und Unterhaltung eines Weges, eines Grabens, einer baulichen Anlage, eines Dräns oder einer sonstigen Leitung erfolgen muss. Insoweit handelt es sich nach Gerichtsmeinung nicht um eine abschließende Aufzählung. Vielmehr ist auch in sonstigen Fällen eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung möglich, wobei diese wertungsmäßig den genannten Beispielen gleichkommen muss. Eine wesentliche Beeinträchtigung im zu entscheidenden Fall besteht nach Auffassung des Gerichts darin, dass dem beeinträchtigten Nachbarn eine Nutzung seines Grundstücks in dem von der Durchwurzelung betroffenen Grenzbereich weder als Zier- noch als Nutzgarten möglich ist.
Beeinträchtigung der Standsicherheit?
Die Frage der Ortsüblichkeit der beeinträchtigten Grundstücksnutzung ist nach Auffassung des Gerichts im Rahmen von § 910 BGB ebenso wenig von Bedeutung wie die der Ortsüblichkeit der die Beeinträchtigung hervorgerufenen Nutzung des Grundstücks des Klägers.
Soweit die Entfernung der Wurzeln zu einer Beeinträchtigung der Standsicherheit der streitgegenständlichen Fichten führen wird, die deren Fällung notwendig machen wird, steht dies nach Auffassung des Gerichts dem Selbsthilferecht des Nachbarn unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des zu entscheidenden Falls nicht entgegen.
(OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.5.2014, 12 U 168/13, MDR 2014 S. 893)