Leitsatz
- Eine GmbH, die zu 99,72 % am Gesellschaftsvermögen einer KG beteiligt ist, ist auch dann nicht in das Unternehmen der KG (mittelbar) finanziell eingegliedert, wenn die übrigen Kommanditisten der KG sämtliche Gesellschaftsanteile an der GmbH halten.
- Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1993/1999 erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus; dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, bereits dann mehrere im Inland ansässige Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, wenn sie "eng miteinander verbunden sind", ist insoweit unerheblich.
Sachverhalt
Streitig war der Fortbestand einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen einer KG als Organträgerin und der A-GmbH als Organgesellschaft, nach dem sich die Anteilsverhältnisse nach dem Tod des Unternehmensgründers B veränderten. An der KG waren zunächst die B-GmbH als Komplementärin und B als Kommanditist beteiligt. Unternehmenszweck der KG war die Verwaltung von Grundstücken. Sie wurde allein von der B-GmbH vertreten, die wiederum von ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer B vertreten wurde. Dieser war auch Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH. Da diese ihr Unternehmen in dem von der KG gepachteten Anwesen betrieb, wurde eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft mit der KG als Organträgerin angenommen.
Nach dem Tod des B gingen dessen Anteile zunächst auf seine Ehefrau C und auf seinen Sohn D über. Nachdem C und D 1997 weitere Kommanditanteile auf die A-GmbH übertragen hatten, hielt diese 99,72 % der Kommanditanteile an der KG; C und D hielten jeweils noch 0,14 % Gleichwohl gingen KG und Finanzamt zunächst weiterhin von einer Organschaft aus. Als das Finanzamt gegenüber der KG Umsatzsteuer für 1998 und 1999 festsetzte, womit es auch die Umsätze der A-GmbH erfasste, machte die KG geltend, seit der Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Jahr 1997 bestehe keine Organschaft mehr. Vor dem FG erhielt sie Recht. Das Finanzamt legte Revision ein.
Entscheidung
Eine Organschaft mit der KG als Organträgerin lag nicht vor. Eine finanzielle Eingliederung der A-GmbH fehlte. Bei der finanziellen Eingliederung ist der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit. Diese kann auch durch eine mittelbare Beteiligung erreicht werden, z.B., wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft über eine Beteiligung (als Gesellschafter) an einer Gesellschaft erreicht wird, die unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft beteiligt ist.
Die KG war im Streitzeitraum an der A-GmbH nicht unmittelbar beteiligt; vielmehr war die A-GmbH zu 99,72 % am Gesellschaftsvermögen der KG beteiligt. Die Beteiligungen der Minderheitsgesellschafter C und D an der A-GmbH sicherten deshalb nicht, dass die KG ihren Willen bei der A-GmbH durchsetzen konnte. Vielmehr konnte die A-GmbH mit ihrer Beteiligung an der KG die Willensbildung in der KG bestimmen.
Praxishinweis
Man könnte im vorliegenden Fall noch andere "Organschaftsmöglichkeiten" durchspielen, die aber auch nicht erfolgversprechend sein dürften. Falls D, gegebenenfalls zusammen mit C, die A-GmbH und – allerdings nur noch mittelbar – die KG beherrschen sollte, folgt hieraus jedoch nicht, dass die KG mittelbar die A-GmbH beherrschte. Mit dieser Annahme würden die Beteiligungsverhältnisse gleichsam auf den Kopf gestellt. In diesem Fall wäre die KG der A-GmbH nicht über-, sondern untergeordnet; die KG also in die A-GmbH finanziell eingegliedert. Dies bleibt aber ohne Rechtsfolgen, weil die KG als Personengesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht Organgesellschaft sein kann.
Der BFH konnte offen lassen, ob möglicherweise C bzw. D Organträger der A-GmbH sein konnten. Denn die Umsätze der A-GmbH wären danach allenfalls C bzw. D, aber nicht der KG zuzurechnen. "Unternehmer" ist bei Organschaftsverhältnissen die beherrschende natürliche Person, Personengesellschaft oder juristische Person, nicht der "Organkreis".
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 19.5.2005, V R 31/03