Schadensersatzklage des Nacherben

Bei der Vor- und Nacherbschaft genügt es hinsichtlich der Befreiung des Vorerben, wenn der Befreiungswille im Testament irgendwie, wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck kommt. So entschied das OLG Naumburg in folgendem Fall:

In seine kinderlos gebliebene 2. Ehe hatte der Ehemann einen Sohn aus seiner ersten Ehe mitgebracht. Da mit diesem Sohn Streit herrschte, errichtete die 2. Ehefrau ein Testament, in welchem sie ihren Ehemann zum Vorerben und einen Dritten zum Nacherben bestimmte, damit ihr Stiefsohn nichts aus ihrer Erbschaft erhalten sollte. Nach dem Tod der Ehefrau errichtete der Witwer ein die jetzige Beklagte als Erbin begünstigendes Testament. Der Nacherbe erhob bis zum Tod des Witwers keinerlei Forderungen gegenüber dem Nachlass der vorverstorbenen Ehefrau. Mit Eintritt des Nacherbfalls klagte der Nacherbe Schadensersatz von der beklagten Erbin mit der Behauptung ein, der Witwer sei lediglich nicht befreiter Vorerbe gewesen und habe den Nachlass seiner Ehefrau nicht ordnungsgemäß verwaltet. Dies zeige sich daran, dass bei seinem Tode kein Nachlass mehr vorhanden gewesen sei. Das Landgericht gab der Schadensersatzklage statt. Auf die Berufung ändert das OLG Naumburg das landgerichtliche Urteil teilweise ab.

Versteckter Befreiungswille

Nach Auffassung des OLG ist der Vorerbe von den Beschränkungen der §§ 2130, 2134, 2136 BGB befreit gewesen. Der Schadensersatzanspruch geht bei der befreiten Vorerbschaft ins Leere, wenn der Nachlass im Nacherbfall nicht (mehr) werthaltig ist, denn die Herausgabepflicht des befreiten Vorerben erstreckt sich nur auf beim Nacherbfall noch vorhandene Nachlassgegenstände, §§ 2138, 2137, 2136 BGB. Die Befreiung des Vorerben ist im Rahmen der Auslegung des Testaments zu ermitteln, wenn sie sich nicht eindeutig aus der letztwilligen Verfügung ergibt. Um die Befreiung des Vorerben zu bejahen, genügt, dass der Befreiungswille des Erblassers im Testament irgendwie, wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt, ausgedrückt wird.

Indizien für Befreiung

Zu den Umständen, unter denen von einer stillschweigenden Befreiung des Vorerben auszugehen ist, gehören: das Einsetzen des an der Vermögensbildung beteiligten Ehegatten zum Vorerben, wenn es sich bei dem Nacherben um einen eher entfernten Verwandten handelt, das Eintreten des Nacherbfalls mit dem Tod des Vorerben oder der Wiederverheiratung. Weiterhin sind die Motivation für die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft mit zu berücksichtigen sowie das Verhalten des Vorerben.

Hinweis: Wer sich auf die Befreiung beruft, hat sämtliche Umstände hierfür vorzutragen und zu beweisen. Zu beachten ist, dass der Herausgabeanspruch des Nacherben neben den im Nacherbfall vorhandenen Nachlassgegenständen auch Surrogate gemäß § 2111 BGB umfasst.

(OLG Naumburg, Urteil v. 7.11.2013, 1 U 69/13, dazu NJW-Spezial 2014 S. 199)

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