Leitsatz

Ist ein freiberuflich tätiger Arzt sowohl als Allgemeinmediziner als auch auf arbeitsmedizinischem Gebiet tätig, übt er zwei ihrer Art nach verschiedene Tätigkeiten aus. Die Veräußerung eines dieser Praxisteile stellt eine tarifbegünstigte Teilpraxisveräußerung dar, sofern den Praxisteilen die notwendige organisatorische Selbständigkeit zukommt.

 

Sachverhalt

Die Ärzte erzielten Einkünfte aus einer gemeinsam in D betriebenen Praxis. Von 1993 bis zum Streitjahr erklärten sie Honorareinnahmen aus der allgemeinmedizinischen Versorgung von Privat- und Kassenpatienten, aus Arbeitsmedizin und aus der Tätigkeit als Badearzt. Ab 1998 erklärten sie nur noch Einnahmen aus Arbeitsmedizin. 1997 hatten die Ärzte "die von ihnen geführte Arztpraxis" mit Wirkung zum 1.4. an einen anderen Arzt, der in den angemieteten Räumen eine Praxis für Allgemeinmedizin fortführte, veräußert. Laut Übernahmevertrag sollte der Erwerber in den bestehenden Mietvertrag über die Praxisräumlichkeiten, in alle "laufenden Praxisverträge" und in "bisher mit den Praxismitarbeitern bestehende Arbeitsverträge" eintreten sowie den Telefonanschluss der Praxis übernehmen. Weiterhin sollte der Veräußerer oder ein von ihm beauftragter ärztlicher Mitarbeiter berechtigt sein, bis zum 31.3.1998 in den Praxisräumen an einem Tag in der Woche für vier Stunden freiberufliche arbeitsmedizinische Untersuchungen durchzuführen und an einem Tag im Monat für jeweils vier Stunden das tragbare EKG-Gerät sowie das Lungenfunktionsgerät der Praxis für Betriebsuntersuchungen außerhalb der Praxis zu benutzen. Probanden, die an diesen Tagen in den Praxisräumen untersucht würden, könnten weiterhin ihre Terminvereinbarungen über die bekannte Praxisnummer treffen.

Seit April 1997 sind die Ärzte nur noch arbeitsmedizinisch von eigenen Räumen in W aus tätig. Für das Streitjahr erklärten sie u.a. einen nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn von 48 285 DM, den das Finanzamt aber als laufenden Gewinn behandelte. Der dagegen erhobenen Klage gab das FG statt, weil es in der aufgegebenen allgemeinmedizinischen Versorgung eine Teilpraxis i.S. des § 18 Abs. 3 EStG annahm. Hiergegen wendet sich das Finanzamt mit der Revision.

 

Entscheidung

Die Aufgabe einer allgemeinmedizinischen Versorgung durch einen Arzt kann trotz weitergeführter Tätigkeit als Betriebsarzt eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung bzw. -aufgabe sein. Eine solche kommt nämlich in Betracht, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Patientenkreisen erstreckt oder bei gleichartiger Tätigkeit in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird[1]. Zur letztgenannten Fallgruppe gehören die Tätigkeiten eines niedergelassenen Arztes für Allgemeinmedizin und eines Betriebsarztes i.S. des § 2 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit, weil insoweit für jeden der Bereiche ein anderer Kundenstamm gegeben ist[2] und jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Aus- und Fortbildung bestehen. Gleichwohl können sich Zweifel am Vorliegen organisatorisch selbständiger Teilpraxen ergeben, wenn ihr jeweiliger Gewinn nicht getrennt ermittelt wird[3], eine räumliche Trennung beider Bereiche fehlt oder für sie dasselbe Personal eingesetzt wird.

 

Praxishinweis

Der BFH hat bereits entschieden[4], dass die Tätigkeit als Betriebsarzt gegenüber dem Betrieb einer allgemeinmedizinischen Praxis als selbständige Betätigung zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit als Betriebsarzt – anders als beim damaligen Kläger – eine besondere Qualifikation voraussetzt, die auch zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Arbeitsmedizin" berechtigen würde.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 4.11.2004, IV R 17/03

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