Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
- Erlangt der Restitutionsberechtigte vom Verfügungsberechtigten nach §7 Abs.7 Satz2 VermG Mietentgelte, so muss er sie nach §24 Nr.1 Buchst.a) EStG als Entschädigung versteuern.
- Muss der Verfügungsberechtigte nach §7 Abs.7 Satz2 VermG ihm zustehende Mietentgelte an den Restitutionsberechtigten herausgeben, so kann er diese Ausgabe im Jahr ihres Abflusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zwar steuermindernd geltend machen; er kann aber nicht nach §163 AO beanspruchen, dass ihm in den Jahren seiner Vermietungstätigkeit ab dem 1.7.1994 von vornherein keine Einkünfte zugerechnet werden.
Sachverhalte
Der BFH hat sich in beiden Urteilen damit befasst, wie Mietentgelte zu behandeln sind, die der Verfügungsberechtigte an den Restitutionsberechtigten herausgeben muss. Im Fall IX R 66/03 hatte A die Rückübertragung eines zu DDR-Zeiten entschädigungslos enteigneten und in das Volksvermögen überführten Grundstücks in Leipzig nach den §§3ff. VermG erreicht. Der Besitz des vermieteten Grundstücks wurde A im Mai 1997 übergeben. Die bisher verfügungsberechtigte Wohnungsbaugesellschaft kehrte an A überdies nach §7 Abs.7 Satz2 VermG Nutzungsentgelte für die Zeit ab dem 1.7.1994 in Höhe von 100000DM aus, die das Finanzamt als Entschädigung der Besteuerung unterwarf. Das Verfahren IX R 50/03 betrifft die andere Seite, die Behandlung der herausgegebenen Mietentgelte beim Verfügungsberechtigten: Sind die an den Restitutionsberechtigten gezahlten Beträge als Werbungskosten abziehbar und, wenn ja, kann die Einkommensteuer nach §163 AO in der Weise abweichend festgesetzt werden, dass dem Verfügungsberechtigten ab dem 1.7.1994 bis zur Rückgabe des Grundstücks keine Einkünfte aus der Vermietung mehr zugerechnet werden?
Entscheidungen
Der BFH bejaht in beiden Fällen die steuerrechtliche Bedeutsamkeit des Vorgangs. Wie aus den Leitsätzen ersichtlich, steht dem Entschädigungscharakter der herauszugebenden Mietentgelte in der Person des Berechtigten der Werbungskostenabzug in der Person des Verfügungsberechtigten gegenüber. Entschädigungen gehören nach §24 Nr.1 Buchst.a) EStG zu den Einkünften i.S. des §2 Abs.1 EStG, wenn sie als Ersatz für entgangene Einnahmen gewährt werden. Der Schaden liegt nach dem VermG in der entschädigungslosen Enteignung des Grundstücks. Er wird zunächst dadurch behoben, dass dem Berechtigten das Grundstück zurückgegeben wird. Aber auch die vom Verfügungsberechtigten nach §7 Abs.7 Satz2 VermG herauszugebenden Mietentgelte dienen als Ersatz für entgangene Einnahmen der Entschädigung. Denn das VermG ordnet die Erträge ab dem 1.7.1994 dem Berechtigten zu. Umgekehrt kann der Verfügungsberechtigte die herauszugebenden Entgelte als Erwerbsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen. Der Zusammenhang mit der Einkunftsart folgt schon daraus, dass der Verfügungsberechtigte nicht die Nutzungen schlechthin, sondern – nach Verrechnung mit ihm entstandenen Kosten – die ihm "geschuldeten" Mietentgelte herausgeben muss. Dem Berechtigten sind zwar nach den Wertungen des VermG nicht die Mieteinnahmen als Vermieter zuzurechnen. Berechtigt und verpflichtet aus dem Mietvertrag ist bis zur Rückübertragung des Grundstücks allein der Verfügungsberechtigte. Deshalb scheitert eine abweichende Steuerfestsetzung, mit welcher der Verfügungsberechtigte erreichen wollte, dass ihm ab 1.7.1994 keine Mieteinnahmen mehr zugerechnet werden.
Praxishinweis
Mit diesen Entscheidungen leistet der BFH ein Stück "Vergangenheitsbewältigung". Die Ausführungen beruhen wesentlich auf den normativen Wertungen des VermG. Sie sollten deshalb nicht verallgemeinert werden, etwa im Hinblich auf einen Bereicherungsausgleich. Ist z.B. der Grundstückskauf nichtig und muss der Erwerber die Nutzungen herausgeben, so hat das mit dem zugrunde liegenden Mietverhältnis des Erwerbers mit seinem Mieter nichts zu tun. Deshalb ist – und bleibt – fraglich, ob der Erwerber die herauszugebenden Nutzungen als negative Einnahmen oder Werbungskosten bei den Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend machen kann.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 11.1.2005, IX R 66/03