Leitsatz

Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalls in den Hintergrund tritt.

 

Sachverhalt

A erlitt 1999 einen Schlaganfall und ist seither schwerbehindert. Um weiter in gewohnter Umgebung leben zu können, ließ A im Jahr 2000 in sein Haus u.a. eine Rollstuhlrampe, ein behindertengerechtes Bad und eine neue Küche ein- sowie das Arbeits- zum Schlafzimmer umbauen. Die nicht von der Krankenkasse getragenen Kosten von 139.715 DM machte er als außergewöhnliche Belastung geltend. Finanzamt und FG gewährten nur den Behinderten- und den Pflege-Pauschbetrag, lehnten den Abzug der Umbaukosten als außergewöhnliche Belastung aber ab. Der BFH hob die Vorentscheidung auf.

 

Entscheidung

Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag gelten nur laufende und typische Mehraufwendungen ab, sie erfassen keine "zusätzlichen Krankheitskosten". Die Umbaukosten sind zwangsläufig. Der unvorhersehbare Schlaganfall und die daraus resultierende Behinderung machten die Umbauten unausweichlich."

Es bleibt offen, ob der Kritik an der Gegenwertlehre gefolgt werden kann. Im Urteilsfall liegt kein aus den Umbauten resultierender realer Gegenwert vor. Möglich wäre die Beweiserhebung durch Sachverständige, ob der Steuerpflichtige einen Gegenwert für seine Aufwendungen erhält. Allein die mögliche Nutzung der Umbauten durch nichtbehinderte Familienangehörige ist jedenfalls kein realer Gegenwert. Insoweit kann auf die Jahrzehnte alte Rechtsprechung des VI. Senats zurückgegriffen werden, wonach die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts bei stark unter dem Gebot der Zwangsläufigkeit stehenden Aufwendungen in den Hintergrund rückt.

Es existiert keine Rechtsgrundlage dafür, Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen über ihren Nutzungszeitraum zu verteilen. Allerdings ist aus Billigkeitsgründen ein Wahlrecht denkbar, die Aufwendungen über den Nutzungszeitraum verteilt abzuziehen, wenn ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte dem vollen Abzug der Aufwendungen entgegensteht.

 

Hinweis

Der BFH ist nicht nur der Einschätzung des FG deutlich entgegengetreten, dass die Aufwendungen für einen behindertengerechten Umbau nicht zwangsläufig seien. Bedeutsam ist auch, dass er an der "Gegenwertlehre" zweifelt und mehrfach der Auffassung des bisher zuständigen III. Senats nicht folgt. Man beachte: Die Zuständigkeit für außergewöhnliche Belastungen ist 2009 auf den VI. Senat übergegangen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 22.10.2009, VI R 7/09.

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