Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Der Erwerb einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002) der GrESt, wenn die Beteiligungsquote von 95 % auf jeder Beteiligungsstufe erreicht wird. Eine Ermittlung der für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Beteiligungsquote durch Multiplikation der auf den jeweiligen Beteiligungsstufen bestehenden Beteiligungsquoten kommt nicht in Betracht.
Sachverhalt
K erwarb von der V-KG 96,92 % der Anteile an der A-GmbH, die zu diesem Zeitpunkt zu 97,5 % an der grundbesitzenden B-GmbH beteiligt war. Das Finanzamt sah darin eine Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG und erließ u.a. einen Bescheid über die Grunderwerbsteuer. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage statt, weil die Quote von 95 % bei der gebotenen Multiplikation der Beteiligungsquoten auf den jeweiligen Beteiligungsstufen mit 94,497 % nicht erreicht werde. Der BFH gab der Revision statt.
Entscheidung
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt.
Beim Erwerb einer mittelbaren Beteiligung ist das Erreichen der maßgeblichen Beteiligungsquote von 95 % nicht durch Multiplikation der auf den jeweiligen Beteiligungsstufen bestehenden Beteiligungsquoten zu ermitteln:
- Bei einer mittelbaren Beteiligung ist es "erforderlich, aber auch ausreichend", wenn die Beteiligungsquote von 95 % auf jeder Stufe erreicht wird. Der Anteilserwerber erwirbt in diesem Fall mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft, der das Grundstück der grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet wird und das ihr damit "gehört". Dies wiederum folgt daraus, dass ein Grundstück nicht nur dann i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft gehört, wenn es im Eigentum der Gesellschaft steht, sondern schon dann, wenn die erwerbende Gesellschaft es i.S. einer grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung aufgrund eines unter § 1 GrEStG fallenden Vorgangs erworben hat.
- Für Zwecke der Grunderwerbsteuer geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass der Anteilserwerber mit dem Erreichen der Quote von 95 % die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen – wenn auch über so viele Stufen, wie zumindest 95 %ige Beteiligungen an Zwischengesellschaften vorhanden sind – bei der grundbesitzenden Gesellschaft durchzusetzen. Dies führt auch dazu, dass ein späteres Sinken der Beteiligungsquote den einmal verwirklichten Tatbestand der Anteilsübertragung nicht mehr in Frage stellen kann.
Link zur Entscheidung
BFH, 25.08.2010, II R 65/08.