Leitsatz
Wird das Entgelt für eine während des Bestehens einer Organschaft bezogene Leistung nach Beendigung der Organschaft uneinbringlich, ist der Vorsteuerabzug nicht gegenüber dem bisherigen Organträger, sondern gegenüber dem im Zeitpunkt des Uneinbringlichwerdens bestehenden Unternehmen – dem früheren Organ – zu berichtigen.
Sachverhalt
Einzelunternehmer E war mehrheitlich an der H-Holding-GmbH beteiligt. Diese hielt 100 % der Anteile an der I-GmbH, der Komplementärin der K-KG. Die K-KG sollte eine Unternehmensanlage errichten und betreuen. Sie übertrug am 1.9.1992 die Leistungen zur Planung, Finanzierung und Errichtung an die I-GmbH. Diese vergab anschließend die Konzeptionsarbeiten an die Z-GbR. Die Z-GbR stellte der I-GmbH darüber am 22.12.1992 eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis. Die I-GmbH berechnete der K-KG am 28.12.1992 die Gesamtleistungen weiter.
E versteuerte für 1992 als Organträger den Umsatz der I-GmbH und machte gleichzeitig den Vorsteuerabzug geltend. Die Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 wurde rechtskräftig. Die Organschaft zwischen E und I-GmbH endete zum 1.7.1993, da E seine Beteiligung an der H-GmbH auf Z übertrug.
Eine Prüfung bei der H-GmbH wegen Umsatzsteuer 1996 führte wegen des – mangels Masse nicht eröffneten – Konkurses der I-GmbH zu einer Berichtigung der Vorsteuer aus der Rechnung vom 28.12.1992 gemäß § 17 UStG. Diese nahm das Finanzamt gegenüber E im geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1996 vor. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Laut FG folgt aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 UStG, dass die Vorsteuerberichtigung den Unternehmer trifft, der den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat. Das sei E, und zwar unabhängig davon, ob er 1996 noch Unternehmer gewesen sei oder die Organschaft noch bestanden habe.
Entscheidung
Der BFH geht von der grundsätzlichen Erwägung aus, dass mit der Beendigung der Organschaft der zuvor gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG als unselbständig behandelte Unternehmer als solcher wieder "auflebt" und die umsatzsteuerrechtlichen Folgen aus seinen Leistungen trägt. Dazu gehört auch eine – nach Wiedereintritt der Selbständigkeit gem. § 17 UStG entstandene – Berichtigung des Vorsteuerabzugs, den der Organträger während der Unselbständigkeit des Organs geltend gemacht hat.
§ 17 UStG ist eigenständiger materiell-rechtlicher Berichtigungstatbestand gegenüber den Änderungsvorschriften der AO. Er berücksichtigt einen bestimmten Sachverhalt mit Wirkung für den Besteuerungszeitraum, in dem der Sachverhalt eintritt. Die Vorschrift führt nicht zur rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung. Der anfänglich nach der "Soll-Besteuerung" vorgenommene Vorsteuerabzug ist (lediglich) tatbestandliche Voraussetzung der materiell-rechtlichen Regelung. Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 UStG steht dem nicht entgegen: Die Formulierung "der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde" bezeichnet (hier) nur den empfangenden Unternehmer und hat darüber hinaus keine materiell-rechtliche Bedeutung. Anderenfalls müsste bei der Geschäftsveräußerung im Ganzen oder der Rechtsnachfolge – etwa bei einer Einbringung – auf den "damals" empfangenden Unternehmer zurückgegriffen werden, wenn Entgelte in der Person des neuen Unternehmers uneinbringlich werden.
Mit Beendigung der Organschaft am 1.7.1993 wurden die seither verwirklichten Besteuerungstatbestände des UStG der I-GmbH als umsatzsteuerrechtlich selbständiger Unternehmerin zugerechnet. Insbesondere beurteilt sich die wegen Konkurses der I-GmbH eingetretene Uneinbringlichkeit des Entgelts nach deren Verhältnissen und nicht nach denen des E.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist zu der umstrittenen Frage ergangen, wen ein nach Beendigung einer Organschaft eintretender Anspruch auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs trifft: den Organträger, der den Vorsteuerabzug während der Organschaft geltend macht, oder die jetzt wieder selbständige frühere Organgesellschaft, zu deren Bereich der Vorsteuerabzug gehört hat. Das Besprechungsurteil knüpft an den BFH-Beschluss vom 12.5.20031 zur Wirkung einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nach Begründung einer Organschaft an. Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG entsteht – wie der Anspruch auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 UStG – mit der Erfüllung der Berichtigungsvoraussetzungen im entsprechenden Besteuerungszeitraum und wirkt nicht zurück auf den Besteuerungszeitraum des "ursprünglichen" Vorsteuerabzugs. Im Fall des Eintritts der Organschaft trägt der Organträger die Berichtigungsfolgen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 7.12.2006, V R 2/05