Ob Mietendeckel oder "Enteignung" großer Immobilienkonzerne – die Ökonomen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) halten solche Ideen für fragwürdige Versuche, den steigenden Wohnungskosten in Berlin etwas entgegenzusetzen. Sie schlagen eine Mietensteuer vor.
In der Debatte über steigende Mieten in Berlin schlägt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Mietensteuer als "interessante Alternative zur Enteignung großer Immobilienkonzerne" vor, wie sie der Volksentscheid vom September dieses Jahres fordert. Wie die Ökonomen vorrechnen, könnten die Wohnungsmieten (netto/kalt) oberhalb von 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete mit 10 bis 30 % besteuert werden – je höher die Miete, desto höher der Steuersatz.
Mietensteuer für Berlin: 100.000 Wohnungen bezahlbar machen
Auch Wohnungseigentümer könnten laut DIW über eine fiktive Miete einbezogen werden. Berlin könne damit rund 200 Millionen EUR pro Jahr einnehmen. Damit könnten die Mieten von 100.000 Wohnungen um 2,50 EUR pro Quadratmeter und Monat gesenkt oder das Geld in den Neubau von 7.500 Wohnungen (bei einer Eigenkapitalquote von 20 %) jährlich investieren werden, was rund 125 % der Bautätigkeit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften entspricht. Diese Variante würde den Berliner Wohnungsmarkt deutlich entspannen, argumentieren die Wirtschaftsforscher.
Eine proportionale Mietensteuer in Höhe von 3 % auf die Nettokaltmieten könnte einschließlich der Haushalte mit Wohneigentum ein jährliches Aufkommen von 346 Millionen EUR im Jahr erzielen. Die Mietensteuer würde im Durchschnitt 197 EUR pro Wohnung und Jahr kosten. Den Nachteil sieht das DIW bei dieser Version darin, dass die Mietensteuer bei den günstigen Mieten längerfristig häufig vom Vermieter auf die Mieter abgewälzt werden könnte.
Das Institut verweist darauf, dass vor knapp 100 Jahren mit der Hauszinssteuer in Preußen auf ähnliche Weise Gewinne der Immobilieneigentümer abgeschöpft und in neue Wohnungen gesteckt wurden. Die heute klassischen Siedlungen des Neuen Bauens seien mit diesen Mitteln entstanden.
Berlins verzweifelte Suche nach dem Mietendeckel-Ersatz
Seit dem "Aus" des vom BVerfG kassierten Mietendeckels im April 2021 sucht Berlin nach Ersatzlösungen. Am 27. Mai verständigte sich der Koalitionsausschuss von SPD, Linken und Grünen darauf, dass die Mieten der rund 340.000 kommunalen Wohnungen ab 2022 für die kommenden 3 Jahre nur noch um maximal 1 % erhöht werden und im laufenden Jahr eingefroren werden sollen.
Bei Neuvermietungen sei geplant, 10 % unter der im Mietspiegel definierten ortsüblichen Vergleichsmiete zu bleiben, hieß es damals aus Koalitionskreisen – soweit dadurch die Vormiete nicht unterschritten werde. Ausnahmen sollen möglich sein. Die Mieten kommunaler Wohnungen, die im Zuge des nicht mehr gültigen Mietendeckels gesenkt worden waren, sollen nur 2 bis 3 % pro Jahr ab 2022 steigen, so lange, bis die ortsübliche Vergleichsmiete wieder erreicht ist.
Am 26. September nahmen die Berliner Wähler parallel zur Wahl des Abgeordnetenhauses im Volksentscheid den Vorschlag an, alle gewinnorientierten Immobiliengesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen im Bestand zu enteignen. Das hält das DIW für einen weiteren fragwürdigen Versuch, den seit 10 Jahren steigenden Wohnungsmieten in der Hauptstadt etwas entgegenzusetzen.
"Mietenschutzschirm": Eine Idee der Berliner Grünen
Die Berliner Grünen schlugen im Juli einen "Mietenschutzschirm" vor, um den Anstieg der Wohnkosten in der Stadt zu stoppen. Ihnen schwebt ein verbindlicher Pakt für gemeinwohlorientiertes Wohnen – nach dem Vorbild der österreichischen Hauptstadt Wien – zwischen Politik und Vermietern vor. Vermieter sollen sich unter anderem zu einem fünfjährigen Mietenmoratorium und einer Wiedervermietung leerer Wohnungen nach sozialen Kriterien verpflichten und für 3 Jahre auf die Auszahlung von Dividenden verzichten.
Auch eine Drohung beinhaltet die Idee vom "Mietenschutzschirm": Nur Unternehmen, die die Vorgaben befolgen, sollen städtischen Baugrund im Zuge eines Erbbaurechts erhalten. Als kleines Bonbon stellte die Partei finanzielle Anreize für Vermieter in Aussicht, falls sie mitspielen: Etwa einen verringerten Erbbauzins oder mehr Fördergeld für sozialen Wohnungsbau oder energetische Sanierungen. Die Berliner Wohnungswirtschaft sprach von Erpressung und von einem "Mietendeckel durch die Hintertür".
"Eine Berliner Mietensteuer als Sonderabgabe wäre in mehrerlei Hinsicht eine charmante Alternative zu den verbreiteten Regulierungs- und Enteignungsplänen in der Stadtpolitik", schreiben die DIW-Forscher. Unter anderem würden Unternehmen nicht pauschal abgestraft, egal ob sie fair oder aggressiv vermieten, nur Mieteinnahmen oberhalb des ortsüblichen Niveaus würden progressiv belastet und dabei beträchtliche Einnahmen generiert, die für die Linderung der Berliner Wohnungsknappheit verwendet werden könnten.