Leitsatz
Gewerbliche Verluste aus EU-Mitgliedstaaten sind bei der inländischen Steuerpflicht auch zu berücksichtigen, wenn sie aus Tätigkeiten des Fremdenverkehrs stammen. Die fehlende Abzugsmöglichkeit von Verlusten aus Fremdenverkehrsleistungen nach § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG widerspricht der Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 und Art. 58 EGV (jetzt Art. 43 und Art. 48 EG) und ist deshalb innerhalb der EU nicht anzuwenden.
Sachverhalt
Der im Inland wohnende Steuerpflichtige vermietet an Urlauber Wohnwagen, die auf einem Campingplatz in Österreich bereitgestellt wurden. Dem deutschen Finanzamt gegenüber erklärte er Verluste aus gewerblichen Einkünften, die er mit seinen positiven Einkünften aus seiner selbstständigen inländischen Tätigkeit als Masseur verrechnen wollte.
Das Finanzamt lehnte die Verlustverrechnung ab. Zwar würden die Verluste wohl aus ausländischen Betriebsstätten stammen, nämlich den Wohnwagen, jedoch dienen die Wohnwagen dem Fremdenverkehr. Diese Tatsache führe nach § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG dazu, dass die ausländischen Verluste nicht berücksichtigungsfähig seien.
Der Steuerpflichtige erzielt durch die Vermietung der auf einem Campingplatz in Österreich abgestellten Wohnwagen ausländische Verluste. Diese negativen Einkünfte dürfen nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG nur mit anderen gewerblichen Gewinnen aus Österreich ausgeglichen werden. Von dieser – sehr wahrscheinlich ohnehin europarechtswidrigen Vorschrift – wird durch § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG eine Ausnahme gemacht. Danach wären die Verluste grundsätzlich mit inländischen Einkünften verrechenbar, wenn sie aus einer ausländischen Betriebsstätte stammen. Allerdings nur, wenn diese Betriebsstätte nicht dem Fremdenverkehr dient. Der Gesetzgeber wollte solche Tätigkeiten von der Verlustverrechnungsmöglichkeit des § 2a EStG ausnehmen, denen kein erkennbarer Nutzen für die deutsche Volkswirtschaft zukam oder die in nicht unerheblichem Umfang zu unerwünschten Steuersparmöglichkeiten genutzt wurden.
Der BFH stellt nun völlig unmissverständlich klar, dass der genannte Ausschluss von der Abzugsmöglichkeit eindeutig gegen EU-Grundsätze verstößt. Der BFH entscheidet diese Frage selbst; den EuGH ruft er nicht an. Nach Überzeugung des BFH hatte der EuGH insbesondere in der Entscheidung "Rewe-Zentralfinanz" (Urteil v. 29.3.2007, Rs. C-347/04) schon eindeutig entschieden, dass die Verlustabzugsbeschränkung in § 2a EStG gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 und Art. 48 des EGV verstößt. Eine davon abweichende Entscheidung des jetzigen Falls erwartet der BFH nicht.
Hinweis
Der EuGH hat zwar in der Sache "Lidl-Beligum" – auch hier geht es um die Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste im Rahmen der inländischen Steuerpflicht – noch nicht entschieden. Es spricht jedoch sehr vieles dafür, dass schon das Verlustverrechnungsverbot des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG für europarechtswidrig erklärt werden wird. Im Fall von ausländischen Verlusten, die aus EU bzw. EWR-Mitgliedsstaaten stammen, ist somit die Anwendung des § 2a EStG immer sehr kritisch zu hinterfragen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 29.1.2008, I R 85/06.