Leitsatz (amtlich)

Bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Kindes sind auch vorab entstandene Werbungskosten aus einer Fortbildungsmaßnahme zu berücksichtigen.

 

Sachverhalt

Der 1973 geborene Sohn (S) der Klägerin war nach Abschluss seiner Berufsausbildung als Büroinformationselektroniker bis Juni 1995 im erlernten Beruf tätig. Von August 1995 bis Juni 1997 besuchte er zu Fortbildungszwecken eine Fachschule für Medizintechnik, die er als staatlich geprüfter Techniker der Fachrichtung Medizintechnik abschloss. Im Streitjahr 1996 bezog S Leistungen nach dem BAföG und eine Waisenrente. Der Beklagte (Arbeitsamt - Familienkasse) ermittelte die Einnahmen des S mit 12786 DM (9021 DM BAföG und 3 765 DM Waisenrente). Nach Abzug einer Unkostenpauschale von 360 DM und eines Werbungskosten-Pauschbetrags von 200 DM ergaben sich nach Ansicht des Beklagten Einkünfte und Bezüge von 12 226 DM. Darauf setzte er das Kindergeld ab Januar 1996 rückwirkend auf 0 DM fest. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt[1]. Es führte u.a. aus, zu Unrecht habe der Beklagte bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge die dem S entstandenen Werbungskosten von 11 057 DM für 1996 außer Betracht gelassen. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass es sich dabei um vom Finanzamt im ESt-Bescheid 1996 anerkannte vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit handele. Die Revision des Beklagten blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Es besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird[2]. Die Beteiligten haben zu Recht nicht in Zweifel gezogen, dass S im Streitjahr 1996 i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG"für einen Beruf ausgebildet" worden ist. Der Kindergeldanspruch ist nicht wegen der Einkünfte und Bezüge des Kindes zu versagen. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die BAföG-Leistungen als Bezüge anzusetzen sind[3]. Denn das FG hat die Summe aus Bezügen und positiven Einkünften zu Recht mit vorweggenommenen Werbungskosten verrechnet, die mit der Ausbildung zusammenhängen. Der Begriff der "Einkünfte" in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG. Die Würdigung des FG, dass die auf der Ausbildung als Büroinformationstechniker aufbauende Spezialisierung zum Medizintechniker als Fortbildung anzusehen ist, ist nicht zu beanstanden. In Übereinstimmung hiermit hat auch der Beklagte ausdrücklich anerkannt, dass die streitigen Aufwendungen ihrem Charakter nach vorweggenommene Werbungskosten sind. Der Einwand des Beklagten, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit von Aufwendungen beim Kind nicht über das Kindergeld zu einer doppelten Berücksichtigung führen dürfe, greift nicht durch. Vielmehr wird durch die rechtstechnische Anknüpfung an den Begriff der Einkünfte bewirkt, dass insofern nur Nettobeträge in die Summe eingehen, die - wenn sie den Jahresgrenzbetrag überschreitet - zum Verlust des Kindergeldes führt. Da Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht auf das Kindergeld angerechnet werden, sondern dieses erst bei Überschreiten des Jahresgrenzbetrags versagt wird, hat dies, insbesondere wenn der Jahresgrenzbetrag fast erreicht wird, notwendigerweise eine aus Gründen einfacher Handhabung in Kauf genommene zusätzliche Entlastung zur Folge.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 20.7.2000 - VI R 121/98

[3] Vgl. Dienstanweisung, BStBl I 2000, S. 680

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