Leitsatz

Eine Sozietät von Rechtsanwälten, die neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit als Berufsbetreuer tätig sind, erzielt aus der Berufsbetreuung Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Änderung der Rechtsprechung). Die Abfärberegelung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG findet daher keine Anwendung.

 

Sachverhalt

Eine Anwaltssozietät erzielte 80 % ihrer Einnahmen aus Betreuungen. Das Finanzamt qualifizierte darauf die Gesamteinnahmen unter Bezugnahme auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als gewerblich. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Die Betreuungstätigkeit gehört zwar nicht zur typischen Anwaltstätigkeit i.S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, aber zur sonstigen selbstständigen Arbeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

 

Hinweis

Die Willkürlichkeit der Unterscheidung von freien Berufen und Gewerbetreibenden zeigt bereits § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die dort aufgelisteten Berufe sind kaum auf einen Nenner zu bringen. Warum ist der Lotse als Freiberufler genannt, der staatlich geprüfte Bergführer nicht, warum der Bildberichterstatter, aber der Toningenieur nicht? Und wie ist die Unterscheidung zwischen einem "beratenden" und einem sonst selbstständig tätigen Betriebswirt zu rechtfertigen? Das BVerfG hat diese Unterscheidungen nicht beanstandet. Den FG bleibt daher nichts anderes übrig, als § 18 EStG weiter anzuwenden und halbwegs plausible Abgrenzungen zu suchen.

Bisher hat der BFH die Berufsbetreuung als gewerbliche Tätigkeit angesehen, weil § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nur vermögensverwaltende Tätigkeiten erfasst. Diese Voraussetzung erfüllt ein Berufsbetreuer nicht, da er nicht nur Vermögensfragen, sondern auch persönliche Angelegenheiten regelt.

Nun hat der VIII. Senat die Rechtsprechung geändert: Berufsbetreuer üben danach eine sonstige selbstständige Arbeit gem. § 18 Abs. 1

Nr. 3 EStG aus. Die Vorschrift enthält keinen abschließenden Katalog von Tätigkeiten, sondern nur eine Auflistung der Regelbeispiele "Testamentsvollstreckervergütung", "Vermögensverwaltung", "Aufsichtsratstätigkeit".

Weitere Tätigkeiten fallen unter diese Regelung, wenn sie den Regelbeispielen ähnlich sind. Das ist auch der Fall, wenn die Tätigkeit neben der Betreuung fremder Vermögensinteressen eine selbstständig ausgeübte fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis umfasst.

Da der Rechtsanwalt durch die Betreuung eine sonstige selbstständige Tätigkeit ausübt, greift bei einer Sozietät von Anwälten die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein. Die Einkünfte bleiben insgesamt solche aus selbstständiger Arbeit gem. § 18 EStG.

In einem weiteren Urteil v. 15.6.2010 (VIII R 14/09) hat der BFH die Einkünfte einer Volljuristin ohne anwaltliche Zulassung, die als Berufsbetreuerin und Verfahrenspflegerin tätig ist, ebenfalls unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG subsummiert und insoweit seine Rechtsprechung geändert. Er begründete dies damit, dass ein Verfahrenspfleger ähnlich wie ein Betreuer die (objektiven) Interessen des Betroffenen wahrzunehmen und im jeweiligen Verfahren zu wahren hat. Auch wenn es etwa im Unterbringungs- oder Freiheitsentziehungsverfahren vornehmlich um Eingriffe in die persönliche Freiheit des Betroffenen geht, hat dies stets Folgen auch für dessen vermögensrechtliche Position. Insgesamt umfasst die Interessenwahrnehmung für den Betroffenen damit rechtliches wie tatsächliches Handeln einschließlich der Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten. Es handelt sich um eine selbstständige fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis, die der sonstigen selbstständigen Arbeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 15.06.2010, VIII R 10/09 und VIII R 14/09.

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