Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
Ob die von einem Warenproduzenten im Vertrieb in Warenhäusern beschäftigten Servicekräfte als Arbeitnehmer anzusehen sind, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Die Nachforderung pauschaler Lohnsteuer beim Arbeitgeber setzt voraus, dass er der Pauschalierung zustimmt.
Sachverhalt
Im Urteilsfall wurden die Produkte eines Unternehmens über SB-Warenhäuser vertrieben. Auf Wunsch der Warenhäuser beauftragte das Unternehmen Servicekräfte mit der Regalpflege, die Warenannahme und -auszeichnung sowie die Regalauffüllung. Vereinbarungsgemäß sollten die Servicekräfte als selbstständige Unternehmer Serviceleistungen vor Ort durch die Warenannahme und das Auszeichnen der Produkte sowie deren Präsentation in Verbindung mit einer Regalpflege erbringen. Für die Arbeiten wurde eine feste Stundenvergütung bei einem Maximaleinsatz von 1 bis 3,5 Stunden pro Kalenderwoche vereinbart. Die Servicekräfte sollten als Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Für die Abrechnung zum Monatsende bestätigte der Leiter des Warenhauses die Zahl der Arbeitsstunden; die Servicekraft rechnete über den jeweiligen Gebietsverkaufsleiter ihres Auftraggebers ab.
Das Finanzamt behandelte die Servicekräfte als Arbeitnehmer und forderte Lohnsteuer nach. Der BFH bestätigte diesen Ansatz. Das FG muss noch prüfen, ob das Finanzamt den Arbeitgeber hinsichtlich der auf die Servicekräfte entfallenden Lohnsteuer durch Nachforderungsbescheid in Anspruch nehmen durfte.
Hinweis
Der Arbeitnehmerbegriff lässt sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen. Es handelt sich um einen Begriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Dafür sprechen: Persönliche Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Überstundenvergütung, Fortzahlung im Krankheitsfall, zeitlicher Umfang der Dienstleistungen, Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers, Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs.
Soweit das Finanzamt den Arbeitgeber durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen hat, setzt dies voraus, dass dieser einer Pauschalierung der Lohnsteuer zugestimmt hat. Eine Pauschalierung der Lohnsteuer darf nicht gegen den Willen des Arbeitgebers vorgenommen werden. Stimmt er einer Pauschalierung nicht zu, muss das Finanzamt prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheids vorliegen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 20.11.2008, VI R 4/06.