Leitsatz
Nach Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens darf das Finanzamt bis zum Prüfungstermin Steuern nicht mehr festsetzen, die zur Konkurs- bzw. Insolvenztabelle anzumelden sind, und Feststellungsbescheide nicht mehr erlassen, in denen Besteuerungsgrundlagen mit Auswirkung für das Vermögen des Gemeinschuldners festgestellt werden. Das gilt auch für Besteuerungsgrundlagen, die einheitlich und gesondert festzustellen sind (Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt
K ist Konkursverwalter der N-KG und der N-Komplementär-GmbH. Über das Vermögen beider Gesellschaften wurde am 30.3.1998 das Konkursverfahren eröffnet. Da die KG für das Streitjahr 1997 keine Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte abgegeben hatte, erließ das Finanzamt im April 1998 einen Schätzungsbescheid, in dem es die Einkünfte auf 0 DM feststellte. Der Schätzungsbescheid wurde den Gesellschaftern einzeln bekannt gegeben; für die GmbH erfolgte die Bekanntgabe an K. Sowohl K als auch die beiden beigeladenen Kommanditisten legten dagegen Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens reichte die KG eine Feststellungserklärung ein, worauf das Finanzamt unter Änderung des Schätzungsbescheids Einkünfte von –3532579 DM feststellte. Davon entfielen +2500 DM auf die GmbH, für die sich wegen eines Verlustvortrags keine Körperschaftsteuerschuld ergab. Während des Klageverfahrens änderte das Finanzamt den Feststellungsbescheid – ohne Änderung des Gewinnanteils der GmbH – erneut. Das FG hob die Einspruchsentscheidung und den Änderungsbescheid auf, soweit sie sich gegen K richteten.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Soweit sich der Feststellungsbescheid gegen die GmbH richtet, hat das FG diesen zu Recht aufgehoben. Denn nach Eröffnung des Konkursverfahrens darf das Finanzamt bis zum Prüfungstermin Steuern, die zur Konkurstabelle anzumelden sind, nicht mehr festsetzen und Feststellungsbescheide nicht mehr erlassen, in denen Besteuerungsgrundlagen mit Auswirkung auf das Vermögen des Gemeinschuldners festgestellt werden. Das gilt auch für Besteuerungsgrundlagen, die gesondert und einheitlich festzustellen sind.
Die Befugnis des K zur Klagerhebung gegen den Gewinnfeststellungsbescheid ergibt sich daraus, dass er die Klage als Konkursverwalter der Komplementär-GmbH erhoben hat. K ist kraft Amtes verpflichtet, das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Die Verfügungsbefugnis umfasst auch die Wahrnehmung der Interessen gegenüber dem Finanzamt, soweit dieses Feststellungsbescheide erlassen hat, die sich auf die Konkursmasse auswirken. Nämliches gilt für Feststellungsbescheide, die während des Konkurses eines Gesellschafters erlassen werden.
Das Finanzamt durfte den angefochtenen Feststellungsbescheid nicht mehr mit Wirkung für die Konkursmasse erlassen. Denn nach § 240 ZPO, der hier entsprechend Anwendung findet, sind Handlungen des Finanzamts mit Außenwirkung entweder ganz oder mit Wirkung für den in Konkurs gefallenen Gesellschafter so lange unzulässig, bis das Konkursverfahren aufgenommen oder aufgehoben wird. Der Vorrang des Konkursrechts vor dem Steuerrecht gilt auch im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens dürfen daher keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, die die Höhe der zur Konkurstabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen können. Sonst könnten die Finanzbehörden das in § 141 KO vorgeschriebene Verfahren unterlaufen. Wird im Konkursverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters dennoch ein gesonderter und einheitlicher Feststellungsbescheid erlassen, wirkt dieser nur gegenüber den anderen Gesellschaftern. Soweit der Vorrang des Konkursrechts den Grundsatz der Einheitlichkeit des Feststellungsverfahrens begrenzt, ist die Begrenzung hinzunehmen, denn sie wirkt nicht gegenüber den übrigen Gesellschaftern und auch gegenüber der Konkursmasse nur vorläufig.
Praxishinweis
Der BFH bekräftigt den Vorrang des Konkursrechts vor dem Steuerrecht; er gilt auch im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften. Für die Praxis bedeutet diese Bestätigung der bereits vom I. Senat formulierten Grundsätze, dass Bescheide, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, die die Höhe der zur Konkurstabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen können, nach Eröffnung des Konkursverfahrens nicht mehr erlassen werden dürfen. Soweit das Gewinnfeststellungsverfahren durch den Konkurs eines Gesellschafters unterbrochen wird, beschränkt sich die Unterbrechung auf die Feststellung des Gewinnanteils des in Konkurs Gefallenen. Das Feststellungsverfahren gegen die übrigen Gesellschafter kann jedoch fortgesetzt werden.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 24.8.2004, VIII R 14/02