Leitsatz
Eine Entlassungsabfindung für einen in das Ausland verzogenen Arbeitnehmer, die den Verlust künftigen Arbeitsverdiensts abgelten soll und keinen Zusammenhang (z.B. durch die Bemessung an der Dauer der bisher ausgeübten Tätigkeit) zu einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit im Inland aufweist, zählt nicht zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1997 (Rechtslage vor der Änderung des EStG durch das StÄndG 2003 v. 15.12.2003, BGBl 2003 I S. 2645, BStBl 2003 I S. 710 ab dem VZ 2004).
Sachverhalt
K wohnte seit 1995 im Inland. Im Frühjahr 2001 wurde sein Geschäftsführervertrag vorzeitig aufgehoben. Er erhielt darauf eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und zur Abgeltung entfallende künftiger Vergütungen von 4,6 Mio. DM. Danach verzog K in die Schweiz.
Für 2001 erklärte er neben Arbeitslohn die anteilige Abfindung, einen Teil davon als Entschädigung für ein Wettbewerbsverbot. Die verbleibenden 3,2 Mio. DM unterwarf er – anders als das Finanzamt – nicht der Einkommensteuer.
Entscheidung
Der BFH gab K Recht. K hat die Inlandswohnung im April 2001 aufgegeben und ist seither in Deutschland nur noch beschränkt steuerpflichtig. Der als Entschädigung nach § 24 Nr. 1 EStG anzusehende Teil der Abfindung wird im Streitjahr noch nicht von der Steuerpflicht erfasst.
Seit 2004 gehören nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG n.F. auch "Entschädigungen" zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften, die nach § 24 Nr. 1 EStG für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, soweit die bisher aus der Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben.
Bis dahin war umstritten, ob die Neuregelung – so die Finanzverwaltung – nur "klarstellenden" Charakter hat oder konstitutiv wirkt. Letzterem folgte der BFH. Eine Abfindung, die den Verlust künftigen Arbeitsverdiensts abgelten soll und keinen Zusammenhang zu einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit im Inland aufweist, zählt nicht zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften i.S.des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG a.F. Das deckt sich mit Art. 15 OECD-MA, sodass die Besteuerung dem Ansässigkeitsstaat vorbehalten ist.
Hinweis
Weitere praktische Bedeutung haben die Ausführungen des BFH zum "Innehaben" einer Inlandswohnung als Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht. Das Innehaben führt nur so lange zu einem Wohnsitz, wie wahrscheinlich ist, dass die Wohnung auch in Zukunft genutzt wird. Dabei bedarf es weder einer festen zeitlichen noch einer tatsächlichen Nutzung. Jedoch muss die "Wohnung" zu eigenen Wohnzwecken bereitgehalten werden; gelegentliche Besuche reichen nicht.
Um der unbeschränkten Steuerpflicht zu entgehen, muss das FG von den tatsächlichen Gegebenheiten überzeugt werden. Gelingt dies, kann der BFH davon nur noch bei Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze abweichen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 27.8.2008, I R 81/07.