Leitsatz

Die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist auch in den Veranlagungszeiträumen seit 1994 nicht verfassungswidrig.

 

Sachverhalt

Die Kläger, zusammenveranlagte Eheleute, erzielten in den Streitjahren 1994, 1995, 2000 und 2001 u.a. positive Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Das Finanzamt unterwarf diese erklärungsgemäß der Besteuerung. Mit ihrer Klage rügen die Eheleute die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Kapitaleinkünften. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Auch der BFH erachtet die Besteuerung der Kapitaleinkünfte für verfassungsgemäß. Insbesondere verneint er ein strukturelles Vollzugsdefizit. Für 1993 hat der BFH bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Zinsbesteuerung durch das Zinsabschlaggesetz[1] im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit geblieben ist[2]. Das für frühere Veranlagungszeiträume festgestellte Erhebungsdefizit ist durch die Verzehnfachung des Sparer-Freibetrags und die Einführung einer anrechenbaren Zinsabschlagsteuer erheblich reduziert worden. Für im Ausland bezogene, im Inland steuerbare Kapitalerträge ist die Verantwortlichkeit des Gesetzgebers für die Nichtüberprüfbarkeit des Erklärungsverhaltens der Steuerpflichtigen wegen des Territorialitätsprinzips nicht gegeben[3]. An diesen Grundsätzen ist auch für die Jahre 1994, 1995, 2000 und 2001 uneingeschränkt festzuhalten, zumal keine dem Gesetzgeber zurechenbaren Versäumnisse bei dem Zustandekommen oder bei der Umsetzung der am 1.7.2005 in Kraft getretenen EU-Zinsrichtlinie ersichtlich sind. Dafür sprechen auch die Ausführungen des BVerfG zur Erhebungssituation von im Ausland bezogenen Kapitalerträgen[4]. Zudem hat die Finanzverwaltung erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Besteuerung von ins Ausland verlagertem Kapitalvermögen sicherzustellen.

Der Gesetzgeber durfte im Übrigen zumindest bis einschließlich 1997 die tatsächliche Wirkung des durch das Zinsabschlaggesetz geänderten Erhebungsverfahrens abwarten und beobachten. Dabei konnte er zumindest für eine Übergangszeit erwarten, dass die Finanzämter die im Veranlagungsverfahren mögliche Überprüfung der Steuererklärungen intensivieren würden. Denn die Anhebung des Sparer-Freibetrags hätte eine massive Steuerfreistellung der Erträge aus kleineren Kapitalvermögen und eine entsprechende Entlastung der Finanzämter bewirkt. Dabei konnte der Gesetzgeber auch berücksichtigen, dass Steuerpflichtige mit höheren Grenzsteuersätzen nicht selten über weitere Einkünfte verfügen, die einer Außenprüfung unterliegen. Dadurch hat sich das Risiko der Entdeckung nicht (vollständig) erklärter Zinseinkünfte für diesen Teil der Steuerpflichtigen erheblich erhöht.

Soweit gleichwohl Anlass zur Nachbesserung der Zinsbesteuerung bestanden hätte, ist der Gesetzgeber dieser Verantwortung für die Jahre seit 1998 gerecht geworden. Denn seither hat er das Ermittlungsinstrumentarium der Finanzämter erweitert und im Ergebnis nahezu lückenlose Kontrollmöglichkeiten geschaffen. Ab 1998 wurde das Mitteilungsverfahren gemäß § 45d EStG inhaltlich ergänzt und die Verwendungsmöglichkeiten der Mitteilungen erweitert, sodass die Finanzämter abfragen können, bei welchen Kreditinstituten Freistellungsaufträge erteilt und in welcher Höhe steuerpflichtige Kapitalerträge erzielt worden sind. Daraus folgt ein erhebliches Entdeckungsrisiko für Steuerpflichtige, die bei im Inland bezogenen Zinseinkünften den Sparer-Freibetrag in Anspruch nehmen. Ab 2004 sind die Kreditinstitute verpflichtet, ihren Kunden eine schriftliche Jahresbescheinigung über Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne zu erteilen. Auch wenn die Bescheinigungen nur als Hilfeleistung beim Ausfüllen der Steuererklärungsformulare gedacht sind, kann ihre Nichtvorlage auf Anforderung durch das Finanzamt zumindest einen hinreichenden Anlass für weitere Ermittlungen darstellen. Außerdem haben die Finanzämter seit April 2005 die Möglichkeit, die Stammdaten für alle legitimationsgeprüften inländischen Bankkonten und Depots eines Steuerpflichtigen abzufragen.

 

Praxishinweis

Im Ergebnis hat der BFH die Besteuerung der Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch für die Veranlagungszeiträume ab 1994 als verfassungsmäßig erachtet. Die ausführliche und abgewogene Begründung lässt dieses Ergebnis als zutreffend erscheinen. Es bleibt abzuwarten, ob das BVerfG – falls die Sache dorthin gelangen sollte – dieser Auffassung folgt.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 7.9.2005, VIII R 90/04

[1] Gesetz vom 9.11.1992, BGBl I 1992, S. 1853
[2] Vgl. BFH-Urteile vom 18.2.1997, VIII R 33/95, BStBl II 1997, S. 499 = INF 1997, S. 475; vom 15.12.1998, VIII R 6/98, BStBl II 1999, S. 138 = INF 1999, S. 251
[3] Vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1997, a.a.O. (Fn. 2)

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