Leitsätze (amtlich)
- Tagegelder, die die EU-Kommission einem deutschen Beamten zahlt, der ihr von dessen deutschen Dienstherrn als nationaler Sachverständiger zugewiesen worden ist, sind weder nach Art. 13 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8.4.1965 (BGBl II 1965, S. 1482) noch gemäß § 3 Nr. 64 EStG steuerbefreit.
- Die Tagegelder sind jedoch gemäß Art. 23 i.V.m. Art. 15 DBA-Belgien im Inland steuerfrei, wenn die EU-Kommission während der Zeit der Zuweisung als - ggf. zusätzlicher - Arbeitgeber des Beamten i.S. von Art. 15 Abs. 2Nr. 2 DBA-Belgien anzusehen ist. Arbeitgeber ist hiernach derjenige, der die Vergütungen für die ihm geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt.
Sachverhalt
Die Klägerin ist Beamtin des Landes Rheinland-Pfalz und war vom 10.10.1991 bis 31.5.1992 gemäß § 123a BRRG als nationale Sachverständige der EU-Kommission in Brüssel zugewiesen. Die Zuweisung war ausdrücklich nicht gemäß § 58 Abs. 1 Satz 2 BBesG einer Abordnung gleichgestellt. Die Klägerin erhielt im Streitjahr 1991 neben der von ihrem Dienstherrn weitergezahlten Inlandsbesoldung Tagegelder von der EU von täglich 170,95 DM, insgesamt 14 188,85 DM. In ihrer ESt-Erklärung 1991 machte sie Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung für die Zeit ihrer Tätigkeit in Brüssel von 9 280 DM geltend. Das Finanzamt behandelte das gezahlte Tagegeld von 5 264 DM als steuerfrei, da die Klägerin mit solchen Beamten gleichzustellen sei, deren Zuweisung einer Abordnung gleichgestellt werde und bei denen gemäß § 58 i.V.m. § 52 BBesG in entsprechender Höhe steuerfreie Auslandsdienstbezüge zu zahlen gewesen wären. Der übersteigende Betrag von 8 924 DM wurde hingegen der ESt unterworfen. Die Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung wurden wegen § 3c EStG lediglich anteilig in Höhe von 7 331 DM (79 %) als Werbungskosten berücksichtigt. Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die der Klägerin von der EU-Kommission vergüteten Tagegelder sind nicht gemäß Art. 13 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der EU vom 8.4.1965 steuerbefreit. Die Klägerin war, was für eine solche Befreiung Voraussetzung wäre, im Streitjahr weder Beamtin noch sonstige Bedienstete der EU. Gleichermaßen sind die Tagegelder nicht gemäß § 3 Nr. 64 EStG steuerfrei, weil sie nicht von einer inländischen öffentlichen Kasse erbracht werden.
Die Tagegelder sind jedoch nach Art. 23 i.V.m. Art. 15 DBA-Belgien von der inländischen Besteuerung freizustellen. Die Besteuerung für die Tagegelder steht Belgien zu, weil nicht alle Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 DBA-Belgien erfüllt sind. Die Klägerin hat sich an weniger als 183 Tagen während des Steuerjahres (Kalenderjahres) in Belgien aufgehalten; die Tagegelder wurden - unterstellt, das Land Rheinland-Pfalz wäre der betreffende Arbeitgeber der Klägerin -auch nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung des Landes in Belgien getragen. Im Streitfall kommt es sonach allein darauf an, ob die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 DBA-Belgien vorliegen. Das hängt davon ab, wer als Arbeitgeber der Klägerin i.S. dieser Vorschrift während deren Tätigkeit in Belgien anzusehen war - deren Dienstherr (Land Rheinland-Pfalz) oder die EU. Das FG ist im Wege der Auslegung dazu gelangt, dass die EU nach dem Gesamtbild der Verhältnisse Arbeitgeberin war. Diese Einschätzung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Als Arbeitgeber im Abkommensrecht ist derjenige anzusehen, der die Vergütungen für die ihm geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt, sei es, dass er die Vergütungen unmittelbar dem betreffenden Arbeitnehmer auszahlt, sei es, dass ein anderes Unternehmen für ihn mit diesen Arbeitsvergütungen in Vorlage tritt. Im Streitfall war die Klägerin vorübergehend von ihrem inländischen Dienstherrn im Einklang mit den einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften der EU-Kommission "zugewiesen" worden. Aufgrund dieser Zuweisung ist die Klägerin in die Organisationsstruktur der EU-Kommission eingegliedert worden. Die Klägerin hat der Kommission gegenüber ihre Arbeitsleistung geschuldet, sie war unter deren Leitung tätig und deren Weisungen unterworfen. Die Tagegelder sind im Übrigen von der EU-Kommission im eigenen Namen gezahlt und ihr nicht vom Dienstherrn der Klägerin oder einer anderen inländischen Stelle erstattet worden. Im Ergebnis wurden sie von der Kommission also nicht nur ausgezahlt, sondern tatsächlich wirtschaftlich getragen. Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn, der auf die Tätigkeit der Klägerin in Belgien entfällt, steht demnach dem belgischen Staat und nicht der Bundesrepublik zu.
Link zur Entscheidung
BFH vom 15.3.2000 - I R 28/99