Leitsatz
Ein Besitzunternehmer beherrscht die Betriebskapitalgesellschaft auch dann personell, wenn er zwar über die einfache Stimmrechtsmehrheit und nicht über die im Gesellschaftsvertrag vorgeschriebene qualifizierte Mehrheit verfügt, er aber als Gesellschafter-Geschäftsführer deren Geschäfte des täglichen Lebens beherrscht, sofern ihm die Geschäftsführungsbefugnis nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann.
Sachverhalt
S vermietete ein Grundstück an die O-GmbH, die dort ein Optikergeschäft betrieb. Er war alleiniger Geschäftsführer der GmbH sowie an dieser mit 70 % beteiligt. Die restlichen Geschäftsanteile hielt F. Laut Gesellschaftsvertrag wurden Beschlüsse der GmbH grundsätzlich mit einer Stimmrechtsmehrheit von 75 % gefasst. In besonderen Fällen, etwa bei Satzungsänderungen sowie bestimmten gewichtigen Geschäften, war ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss vorgesehen. Das Finanzamt ging von einer Betriebsaufspaltung zwischen S und der GmbH aus und erließ entsprechende Steuerbescheide. Das FG wies die Klage, mit der S geltend machte, eine Betriebsaufspaltung habe mangels personeller Verflechtung nicht vorgelegen, ab. Die dagegen gerichtete Revision blieb erfolglos.
Entscheidung
Eine personelle Beherrschung der Betriebsgesellschaft durch den Besitzunternehmer ist dann anzunehmen, wenn dieser auf Dauer gesehen mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts die Geschäfte des täglichen Lebens der Betriebsgesellschaft beherrscht. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, dem – wie hier – die Geschäftsführung nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann, ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass er über eine Beschlussmehrheit i.S. von § 47 Abs. 1 GmbHG verfügt. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag der GmbH in besonderen Fällen einstimmige Beschlüsse oder eine qualifizierte Mehrheit vorschreibt.
Verfügt ein Gesellschafter-Geschäftsführer über die einfache Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafterversammlung, kann er einen Beschluss über seine Abberufung als Geschäftsführer verhindern. Da er insoweit ihm zustehende gesellschaftsrechtliche Befugnisse wahrnimmt, ist mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts gewährleistet, dass ihm die Geschäftsführungsbefugnis für den Regelfall nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann.
Nach diesen Grundsätzen lag eine personelle Verflechtung zwischen S und der GmbH vor.
Praxishinweis
Macht die Satzung der GmbH – wie im Streitfall – die vom Geschäftsführer vorzunehmenden Geschäfte des täglichen Lebens nicht von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig, so hat der Geschäftsführer diese Geschäfte zwar im Interesse der Gesellschaft, aber grundsätzlich eigenverantwortlich zu führen. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der über die Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG verfügt, beherrscht deshalb dann die Geschäfte des täglichen Lebens in der GmbH, wenn ihm – abgesehen vom Fall des Vorliegens eines wichtigen Grunds – die Geschäftsführung nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann. Dies traf im Streitfall zu, weil S einen Beschluss über seine Abberufung als Geschäftsführer hätte verhindern können. Denn bei Gesellschafterbeschlüssen, welche die Bestellung oder Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers betreffen, ist der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG von seinem Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung ausgeschlossen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 30.11.2005, X R 56/04