Alte Streitfrage

Schon immer war umstritten, wie ein Vermögenszuwachs durch das Absinken des Nießbrauchsrechts im Rahmen des Zugewinnausgleichs rechnerisch zu ermitteln ist. Nunmehr ist der Bundesgerichtshof (BGH) zu seiner alten Rechtsprechung zurückgekehrt.

Der Fall: Der Ehefrau wurde ein Grundstück (damaliger Wert: 240.000 EUR) mit einem Nießbrauch der Mutter (Wert: 175.000 EUR) übertragen. Zum Endvermögensstichtag betrug der Wert des Objekts 490.000 EUR. Der Wert des Nießbrauchs war auf 225.000 EUR gestiegen. Die Erhöhung des Nießbrauchs ergab sich aus einem außergewöhnlichen Anwachsen des Verkehrswerts des Grundstücks.

Gleitender Vermögens­erwerb

Im Einklang mit seiner ursprünglichen Rechtsprechung aus den Jahren 1990 und 2006 stellt der BGH nochmals klar, dass ein Vermögenszuwachs durch das Absinken des Nießbrauchsrechts grundsätzlich nicht dem Zugewinnausgleich unterliegt. Dieser (gleitende) Vermögenserwerb ergebe sich aus einer geringer werdenden Lebenserwartung des Nießbrauchers. Ein solcher Wertzuwachs sei ähnlich wie bei einer geldwerten Zuwendung nach § 1374 Abs. 2 BGB als privilegierter Vermögenserwerb einzustufen.

Zick-Zack-Kurs des BGH

Zur rechnerischen Ermittlung hatte der BGH ursprünglich (FamRZ 1990 S. 603) die Auffassung vertreten, das Nießbrauchsrecht könne beim Anfangs- wie beim Endvermögen gänzlich unberücksichtigt bleiben. Diese vereinfachende Betrachtungsweise hatte der BGH mit der Entscheidung v. 22.11.2006 (FamRZ 2007 S. 978) aufgegeben. In diesem Urteil hatte er verlangt, dass der Nießbrauch sowohl beim Anfangs- wie auch beim Endvermögen bewertet werden müsse. Zusätzlich müsse der gleitende Vermögenserwerb zwischen diesen beiden Stichtagen durch einen Sachverständigen ermittelt werden. Von dieser Rechtsprechung distanziert sich der Senat nunmehr erneut und greift auf die ursprüngliche Vorgehensweise zurück. Die "Begründung" ist allerdings denkbar knapp. Sie besteht in einer einzigen Verweisung auf einen Aufsatz von Gutdeutsch, FamRZ 2015, S. 1083, in dem dieser "überzeugend nachgewiesen" habe, dass rechnerisch eine auf einzelne Zeitabschnitte aufgeteilte Bewertung des Nießbrauchs bei korrekter Indexierung zu keinem anderen Ergebnis führe.

Ausnahme

Anders sei dies indes dann zu behandeln, wenn der Nießbrauch eine Steigerung erfahren habe. Diese Steigerung resultiere i. d. R. aus einer außergewöhnlichen Wertsteigerung des Grundstücks. Bei solcher Sachlage sei es nicht sachgerecht, den Vermögenszuwachs des Grundstücks zwar einerseits zu beachten, andererseits aber die aus demselben Grund resultierende Wertsteigerung des Nießbrauchsrechts "außen vor" zu lassen. Der Nießbrauch müsse dann sowohl im Anfangs- wie im Endvermögen beachtet werden.

Leitsätze des BGH

Fazit:

  • Ist Vermögen, das ein Ehegatte mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zugunsten des Übergebers mit einem Nießbrauch belastet, unterliegt der fortlaufende Wertzuwachs der Zuwendung aufgrund des abnehmenden Werts des Nießbrauchs für den dazwischen liegenden Zeitraum bzw. die Zeit zwischen dem Erwerb des Grundstücks und dem Erlöschen des Nießbrauchs nicht dem Zugewinnausgleich.
  • Um diesen Wertzuwachs im Zugewinnausgleich rechnerisch zu erfassen, ist eine auf einzelne Zeitabschnitte aufgeteilte Bewertung des gleitenden Erwerbsvorgangs nicht erforderlich. Das gleiche Ergebnis kann vielmehr schon dadurch erreicht werden, dass bei der Berechnung des Zugewinns des Zuwendungsempfängers auf ein Einstellen des Werts des Nießbrauchs zum Ausgangs- und Endzeitpunkt in die Vermögensbilanz insgesamt verzichtet wird.
  • Ist hingegen der Wert des Nießbrauchs gestiegen, weil das belastete Grundstück im maßgeblichen Zeitraum einen Wertzuwachs (hier: infolge gestiegener Grundstückspreise) erfahren hat, muss der Wert des Nießbrauchs im Anfangs- und Endvermögen eingestellt werden, ohne dass es weiterer Korrekturen des Anfangsvermögens bedarf.

(BGH, Beschluss v. 6.5.2015, XII ZB 306/14, NJW 2015 S. 2334, dazu Kogel, FamRB 2015, S. 283; ferner hierzu Schulz, FamRZ 2015, S. 460; Braeuer, FamRZ 2015, S. 1981; Hauß, FamRZ 2015, S. 1086; Hoppenz, FamRZ 2015, S. 1089)

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