Wirksame Unterschrift?
In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet. §§ 129, 130 ZPO regeln deren notwendigen Inhalt und gelten entsprechend, insbesondere bei der Einlegung eines Rechtsmittels. Besondere Bedeutung kommt hier der Unterschrift zu, die als zwingendes Wirksamkeitserfordernis bestimmender Schriftsätze angesehen wird: Ihr Zweck liegt in der äußeren Dokumentation der eigenverantwortlichen Prüfung des bestimmenden Schriftsatzes. Im Drange der Geschäfte fällt diese Unterschrift nicht immer leserlich aus. Ist sie dennoch wirksam? Damit hat sich jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einer neuen Entscheidung beschäftigt.
Der Fall
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hat eines ihrer Mitglieder verklagt. Die Klage ist darauf gerichtet, den Beklagten zu verurteilen, den Mitarbeitern einer Firma Zugang zu der in seinem Eigentum stehenden Wohnung zwecks Montage einer Breitbandkabelanlage zu gewähren. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Fristgerecht ist beim Landgericht eine auf dem Briefpapier des Prozessbevollmächtigten der Klägerin geschriebene Berufungsschrift eingegangen. Der Schriftsatz schließt mit dem maschinenschriftlichen Namenszusatz "(W.)" und darunter "Rechtsanwalt". Unmittelbar über diesem Text befinden sich an der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle zwei nicht miteinander verbundene Linien, von denen die eine senkrecht und die andere waagerecht verläuft. Unter Hinweis darauf, es liege mangels Unterschrift keine ordnungsgemäße Berufung vor, hat das Landgericht die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.
Doch deren Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Der BGH hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Anforderungen an wirksame Unterschrift
Die Berufungsschrift sei ordnungsgemäß. Sie müsse als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem bei dem Berufungsgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (§§ 130 Nr. 6, 519 Abs. 4 ZPO). Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift verlangt danach einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug, der
- individuelle, charakteristische Merkmale, die die Nachahmung erschweren, aufweist,
- sich, ohne lesbar sein zu müssen, als Wiedergabe eines Namens darstellt und
- die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist.
Unter diesen Voraussetzungen könne selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei sei in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein- und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger Maßstab anzulegen.
Diesen Anforderungen genüge hier der Schriftzug des Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter der Berufungsschrift.
Fazit
Ist die Unterschrift des Rechtsanwalts von den Gerichten längere Zeit ohne Beanstandung als formgültige Unterschrift hingenommen worden, kann er darauf vertrauen, dass er den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO entspricht. Wird der Schriftzug in einem solchen Fall nicht als Unterschrift anerkannt, ist im Fall der Versäumung der Berufungsfrist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(BGH, Beschluss v. 9.7.2015, V ZB 205/14, dazu Bub/Bernhard, FD-MietR 2015, S. 371793)